Nostalgie mit Pfiff

Dem vielseitigen Gastronomen Bernd Schlacher ist die Wiederbelebung des „Rondell am Cobenzl“ bestens gelungen.

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© Reinhard Engel

WINA-TIPP
WEITSICHT COBENZL
Am Cobenzl 96, 1190 Wien
Tel.: +43/(0)681/10 20 10
weitsichtcobenzl.at

Das „Café Weitsicht“ wie sich das geräumige, nüchtern und doch geschmackvoll neu aufgebaute legendäre Rondell am Cobenzl seit der Eröffnung im September 2022 auch nennt, erweckt viele positive Erinnerungen. Sobald man den Glaspavillon bei der Auffahrt sieht, denkt man an die unzähligen Sonntagnachmittage, die man mit Kuchen und Kracherl, manchmal auch mit Milchkaffee hier verbracht hat. Der Blick auf Wien vom Glaskobel, aber auch von der weitläufigen Terrasse aus war immer schon spektakulär, nur Wolkenkratzer sah man in der einstigen Blütezeit des Cafés noch nicht.

Das vormalige Schloss und die Meierei waren bereits 1776 von Johann Philipp Graf Cobenzl errichtet worden. Fünf Jahre später soll Wolfgang Amadeus Mozart hier zu Gast gewesen sein. Nach dem Tod des Grafen wechselte das Areal mehrfach den Besitzer, ehe es 1907 an die Stadt Wien verkauft wurde, in deren Eigentum es sich bis heute befindet. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss schwer beschädigt und 1966 abgerissen.

Der erste Bau des Rondell-Cafés entstand bereits in den 1950er-Jahren. Seit damals wurde das Cobenzl als Ausflugslokal genutzt und stets von diversen Pächtern betrieben.

 

„Ich wollte einen Wohlfühlort für
alle Wiener und Wienerinnen schaffen. “

 

Mit dem Ende der Pächterschaft der Familie Hübner im Jahr 1972 fiel der Café-Pavillon allerdings in einen Dornröschenschlaf. Zwar wurde er in den 80ern von einem neuen Betreiber übernommen, und auch das Schloss wurde wieder aufgebaut, doch keinem der Versuche war ein Erfolg beschieden.

Daher fragten wir den 57-jährigen Wiener Gastronomen Bernd Schlacher, der erfolgreich ein Hotel und mehrere Restaurants betreibt, was ihn motivierte, dieses Abenteuer einzugehen und die vernachlässigte, schlafende Prinzessin zu neuem Leben zu erwecken? „Ich wollte einen Wohlfühlort für alle Wiener und Wienerinnen schaffen. Egal, ob nach einer Wanderung, um sich zu stärken, für ein romantisches Date mit Blick über Wien oder zum Brunch mit der ganzen Familie“, lacht Schlacher. Das scheint ihm auch gelungen zu sein. Bei unserem Mittagsbesuch an einem trüben Novembertag brummt es im Rondell: Man sieht alle Altersklassen hier.

„Zwei Jahre wurde umgebaut, jetzt gibt es 90 Plätze drinnen und rund 150 auf den Terrassen“, erzählt Betriebsleiter Max Spies, der zuvor neun Jahre für das Restaurant Motto am Fluss verantwortlich war. Neben Schloss und Meierei steht nun zusätzlich ein Panorama-Neubau mit drei Etagen für Feiern, Seminare oder Kulturevents zur Verfügung. Aber auch das Rondell, also Café Weitsicht, kann für geschlossene Gesellschaften genutzt werden. „Ein Gast mietete das ganze Lokal für seinen 80. Geburtstag aus purer Nostalgie, weil er als Jugendlicher oft da war“, freut sich Spies.

„Bodenständiges mit einem modernen Twist“ (Küchenchef Domenic Kreller). © Reinhard Engel

Von 9 bis 22 Uhr kann man hier (nicht koscher) vorwiegend wienerisch speisen und trinken: Serviert werden ausschließlich Wiener Weine; das Hausbier vom Fass, Brewdi, wird aus Brotresten selbst gebraut; zusätzlich zu den Standardgetränken gibt es hausgemachte Limos, wie Basilikum-Limette, Ingwer-Zitrone oder Birne-Rosmarin, jeweils 0,5 Liter à 5,50 €. Die Frühstückskarte ist vielfältig und originell: Die Eierspeisbrote auf Motto-Sauerteigbrot gibt es wahlweise mit Gervais, Kräutern sowie geräuchertem Lachs und Honig-Senf-Mayonnaise zwischen 8,90 und 10,50 €. Für die Nachmittagsjause (von 15 bis 17:30 Uhr) sowie für „Kleinigkeiten auch zum Teilen“ und die Hauptspeisen (beides von 12 bis 15 Uhr und 17:30 bis 21 Uhr) ist Küchenchef Domenic Kreller verantwortlich, der im Bereich der Mottogroup bisher im Catering werkte.

„Wir wollen bodenständig sein mit einem modernen Twist“, so der Betriebsleiter. Das scheint gelungen, denn die Geschmorte Rote Rübe mit Labneh, ChiliÖl und Ingwer-Vanille-Crumble um € 8,50 schmeckt erfrischend, ebenso zu empfehlen das vegane Kürbisgulasch um 13,90 € sowie das vegane Ofenspitzkraut mit geräuchertem MandelPesto, auch um 13,90 €. Zufrieden und ein wenig stolz erinnert sich Bernd Schlacher an seine Ausflüge auf den Cobenzl als Teenager: „Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich hier einmal Hausherr sein könnte.

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