Zum vierten Mal fand heuer die Österreichische Filmwoche in Israel statt. Seit Beginn besuche ich diese regelmäßig, und bereits zum zweiten Mal standen mir die österreichischen Filmemacher nach der Filmvorstellung Rede und Antwort.
Die Filmwoche startete als Herzensprojekt des österreichischen Kulturattachés Johannes Strasser, der mit Ende 2018 seinen vierjährigen diplomatischen Dienst in Israel beendete. Dass der österreichische Film in Israel sehr gefragt ist, weiß ich bereits seit meinem Studium an der Tel Aviv Universität, wo im Unterricht mehrfach Bildkompositionen von Michael Haneke und Ulrich Seidl besprochen wurden.
Anfang des Monats wurde in den österreichischen Medien über einen Besucherrückgang in den österreichischen Kinos berichtet. Ein Phänomen, das nicht nur in Österreich ein Problem ist, sondern auch in Israel. Schuld sind laut Experten das Wetter, Streamingdienste wie Netflix, Sportereignisse wie die Fußball-WM und die Filmemacher selbst, heißt es. Arthaus-Filme sind zwar erfolgreich bei den großen internationalen Festivals, locken aber weniger Besucher ins Kino als kommerziell ausgerichtete Komödien.
Gleichzeitig ging heuer der Österreichische Filmpreis für den besten Spielfilm und besten Dokumentarfilm an Murer – Anatomie eines Prozesses von Christian Frosch und Waldheims Walzer von Ruth Beckermann, beide Filme beschäftigen sich mit dem Umgang der Verantwortung Österreichs nach der Schoah. Beide Filme wurden im Rahmen der Filmwoche in Israel gezeigt sowie vier weitere österreichische Filme, unter anderem die Israel-Premiere von Mirjam Ungers Maikäfer flieg, der die Filmwoche einleitete.
Jeden zieht etwas anderes ins Kino, doch den österreichischen Akzent zu hören und die Bilder der Wiener Gassen und der österreichischen Landschaften auf der großen Leinwand zu sehen, spricht wohl alle Besucher an.
Mirjam Unger und Christian Frosch waren heuer zu Gast bei der Österreichischen Filmwoche und erzählten von den Herausforderungen bei der Produktion ihrer Filme, die im Österreich der Fünfziger- und Sechzigerjahre spielen.
Der bekannte israelische Schauspieler Dov Glickman, der im Film Murer – Anatomie eines Prozesses einen der Hauptzeugen spielt, erzählt von den Unterschieden am Filmset in Österreich und in Israel. „In Österreich lief alles nach Drehplan, wir waren sogar früher fertig als geplant. In Israel beginnen wir um fünf in der Früh zu drehen, damit wir auch ja alle Szenen abdrehen, die wir uns vorgenommen haben.“ Er war begeistert von der Professionalität und Ruhe am Set in Österreich und freut sich schon auf weitere Kooperationen.
Das Publikum in der Cinematheque Tel Aviv war eine Mischung aus heimischen Cineasten, Exilösterreichern, Geschichteliebhaber und Neueinwanderern. Jeden zieht etwas anderes ins Kino, doch den österreichischen Akzent zu hören und die Bilder der Wiener Gassen und der österreichischen Landschaften auf der großen Leinwand zu sehen, spricht wohl alle Besucher an.
Eine Dame aus dem Publikum meldete sich nach der Vorführung von Murer – Anatomie eines Prozesses zögerlich zu Wort: „Mein Name ist Chaya, und ich bin die Tochter von Ephraim Schuster, einem der Zeugen, die in Ihrem Film porträtiert wurden.“ Das war für den Regisseur Christian Frosch sowie für Schauspieler Mendy Cahan, der Ephraim Schuster verkörperte und ebenfalls anwesend war, eine Überraschung. Schusters Tochter erzählte davon, wie allgegenwärtig der Fall Murer bei ihnen zu Hause war und wie ihr Vater nach dem Prozess als gebrochener Mann nach Israel zurückkehrte.
In diesem Moment verschmolz die Fiktion auf der Leinwand mit der Realität. Ein wahrlich magischer Kinomoment.