Wie vermittelt man das Thema Antisemitismus lebensnah und in einfachen Worten? Das Parlament zeigt nun vor, wie das gut gelingen kann. Eine kleine Ausstellung zu Judenfeindlichkeit und was diese mit Demokratie zu tun hat wurde komplett überarbeitet und Dienstag Abend feierlich eröffnet. Eingebunden waren in diesen Prozess auch jüdische Jugendliche, die am Dialogprojekt der IKG, Likrat, teilnehmen. Sie erzählen in kurzen Videos aus ihrem Alltag, sind aber auch mit Objekten in der Schau präsent.
Einer dieser Likratinos ist der 16jährige Oshri. Er besucht eine HTL in Wien und hat zu der Ausstellung eine bunte Sederplatte beigesteuert. Diese ist quasi ein Relikt der Covid-Pandemie. Wo hier der Zusammenhang besteht? Zuvor habe die ganze Großfamilie die Sederabende bei der Großmutter verbracht, erzählt er. In der Pandemie sei das nicht möglich gewesen. Deshalb hätten auch seine Eltern dann für sich und die Kinder eine eigene Sederplatte angeschafft.
Pessach findet Oshri „ein cooles Fest“. Wie er nichtjüdischen Jugendlichen vermitteln könne, was daran cool sei? Zu Pessach dürfe man ja nichts Gesäuertes essen, erklärt er. Daher würden Lebensmitteln statt mit Weizenmehl mit anderen Zutaten hergestellt, zum Beispiel mit Kartoffeln. Das sei doch ziemlich interessant.
Stichwort nichtjüdische Jugendliche: wie gehe es ihm in der Schule seit dem 7. Oktober? „Es war nicht sehr angenehm. Inzwischen ist es aber besser geworden“, erzählt er WINA. Ja, es sei zu Anfeindungen gekommen, so habe ein muslimischer Schüler einer anderen Klasse ihm am Gang auf Arabisch „Schlachtet alle Juden“ zugerufen. Er habe das aber nicht einfach so stehen lassen und seinen Klassenvorstand informiert, sagt Oshri. Die Schule sei damit schließlich gut umgegangen.
Es sind genau solche Vorfälle, die Eingang in den vergangene Woche präsentierten Bericht der Antisemitismus-Meldestelle der IKG fanden, auf den der Judaist und Antisemitismusforscher Armin Lange von der Universität Wien in seinem Redebeitrag im Rahmen der Ausstellungseröffnung verwies. 1.147 antisemitische Vorfälle verzeichnete der Report, einer davon war ein Brandanschlag in einem Vorraum der Zeremonienhalle am 4. Tor des Zentralfriedhofs.
Lange präsentierte drei kurze Texte zu Schlüsselmomenten der jüdischen Geschichte Wiens: der erste bezog sich auf die Gesera aus 1421, der zweite war eine Schilderung aus dem November 1938, der dritte zitierte den Eintrag über den Brandanschlag im Vorjahr aus dem Bericht der Meldestelle.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte denn auch, es sei traurig, dass es eine Ausstellung über Antisemitismus im Parlament brauche. Er sei aber auch stolz, dass es nun gelungen sei, auch mit Unterstützung von Likrat, diese so zu gestalten, dass hier andere Jugendliche auch emotional etwas mitnehmen.
Die Schau vermittelt mit klaren, einfach formulierten Botschaften was Antisemitismus ist, wie lange es ihn bereits in Österreich gibt, aber auch wie man zum Beispiel auch in der Schule darauf reagieren kann und warum Antisemitismus eine Gefahr für die Demokratie darstellt. Gleichzeitig vermittelt er eben über kurze Interviews mit jüdischen Jugendlichen, wie Juden und Jüdinnen heute leben.
„Lasst uns reden“ sei das Motto von Likrat, betonte Betty Kricheli, Kultusrätin sowie Programmverantwortliche von Likrat Österreich. (Die Simon-Wiesenthal-Preise 2023 wurden verliehen. Likrat erhält den Hauptpreis) Diesen Ansatz habe man nun auch mit diesen kurzen Videos verfolgt. Grundsätzlich sei die beste Antwort auf Antisemitismus ein aktives jüdisches Leben und jüdische Vielfalt.
Und genau dieses Leben gelte es zu schützen, so die Botschaft. „Antisemitismus hat in der Geschichte dazu beigetragen, dass Demokratien zerstört wurden“, ist in der Ausstellung zu lesen. Und weiter: „Mit Antisemitismus wurde eine Atmosphäre des Hasses geschaffen, der zu Ausgrenzung, Verfolgung und zum Völkermord an Jüdinnen und Juden führte.“
Rabbiner Jonathan Sacks habe einmal gesagt, Juden seien die Kanarienvögel der Kohlebergwerke, meinte Rifka Junger, Referentin für jüdisches Leben, Antisemitismusbekämpfung und Holocaustgedenken im Parlament, die als Moderatorin durch den Abend führte. „Wenn sie sich anfangen unwohl zu fühlen, ist das ein Zeichen, dass die Demokratie in Gefahr ist.“ Genau deshalb sei es wichtig, das direkt anzusprechen – eben Tacheles zu reden.
Entwickelt wurde die nun neu gestaltete Schau durch die Abteilung Demokratiebildung des Parlaments. Kooperiert wurde dabei mit Yad Vashem ebenso wie mit Wolfgang Schmutz, einem Experten für Holocaust Education, Armin Lange sowie Monika Schwarz-Friesel, die ebenfalls zu Antisemitismus forscht, und eben mit Likrat. Das Ausstellungskonzept stammt von bogner.knoll, Grafik und Design von look! Design, die Medienstationen wurden von 7reasons Medien konzipiert.
Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Parlaments jederzeit in der Bibliothek besucht werden. Eine vorherige Registrierung ist nötig: www.besuchen.parlament.gv.at Für Schulklassen werden von der Demokratiewerkstatt auf Basis dieser Ausstellung Workshops zum Thema Antisemitismus angeboten.