Israelische Frauen und Mädchen wurden von der Hamas gefoltert, vergewaltigt und getötet – und die Welt hat geschwiegen. Als handfeste Beweise dafür auftauchten, wie auch ein Blatt Papier, das an die Terroristen ausgehändigt wurde und auf dem eindeutige Sätze in Übersetzung stehen, mit denen diese ihre Opfer zu sexuellen Handlungen nötigen konnten, war das Schweigen derer, von denen wir erwartet hätten, dass sie sich zu Wort melden würden, so laut, wie es sich niemand hätte vorstellen können. Menschen und Organisationen, die die Sprache und Idee des Feminismus dazu anwenden, sexuelle Gewalt aufgrund der ethnischen oder religiösen Identität der Opfer unter den Tisch zu kehren, erklären Frauenrechte – und damit auch Menschenrechte – für „verhandelbar“. Sie erwecken den Eindruck, dass Vergewaltigung manchmal in Ordnung ist. Dass manche Frauen mehr Würde haben als andere.

„Frauen lügen nicht einfach über Vergewaltigungen. Und es hat unglaublich wehgetan, zu sehen, wie eine Organisation, die Frauen verteidigen sollte, eine Organisation, von der ich gehofft hatte, dass sie alle Frauen verteidigen würde, geschwiegen hat, als jüdische Frauen vergewaltigt und misshandelt wurden. Die UN muss sich für ihr Schweigen entschuldigen.”

Nimko Ali, Frauenrechtsaktivistin (unter anderem Gründerin von thefivefoundation.org)

Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe hat eine lange, traurige Tradition. Sie dient, vor allem öffentlich zur Schau gestellt, der kompletten Erniedrigung und Zerstörung einer Gesellschaft – und sie ist ein schmerzhaftes Tabu.
In all der Vielzahl an wissenschaftlicher und biografischer Holocaust-Literatur findet man zum Thema wenig, doch was gefunden werden kann, ist erschütternd. Vor allem auch, weil die Opfer, die dabei die vielen Dimensionen der Erniedrigung in sich tragen, auch die Scham erleben müssen, mit der die Gesellschaft Vergewaltigungen belegt. „Aber die Konzentrationslager der Nazis, die haben nicht ihresgleichen, da gibt es keine Verrechtlichung und keine Abstraktion, und da ist das Opfer auch nicht mehr Subjekt, nicht nur wegen seiner schieren Menge, Millionen von Menschen, sondern auch weil das Sprechen darüber das Geschehen schon wieder auffrisst, weil man es nicht glauben kann, und das Opfer selbst kann, im Sprechen, nicht glauben, was es da sagt, weil, was es erlebt hat, nicht so gewesen sein kann, wie es gewesen ist.“ Das schrieb Elfriede Jelinek in ihrem Vorwort zum Pionierwerk Sexualisierte Gewalt über weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern*. Ich war einst Gast bei der Buch-Präsentation, las danach über die Gräueltaten im Jugoslawien-Krieg, in Ruanda, sprach persönlich mit geflüchteten Frauen, die sexualisierte Gewalt als Begleiterscheinung ihrer Flucht nach und in Europa erlebten. Berichte ukrainischer Frauen wurden publik, und die Opfer der Bestialität beim Überfall am 7. Oktober fangen nun langsam an zu sprechen: sehr leise, sehr schambehaftet, wie die Mehrzahl weiblicher und männlicher Opfer sexueller Gewalt.

Der Monat März steht immer ganz im Zeichen der Frauenrechte. Wir erinnern uns an viele mutige Frauen, die für Rechte gekämpft haben, die uns heute selbstverständlich erscheinen. Doch sexualisierte Gewalt ist nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu und die meisten Opfer schweigen lieber, bevor sie gezwungen werden, die blutigen Beweise und die Länge der Röcke, die sie vor der Tat trugen, öffentlich zur Schau zu stellen. Damit man ihnen glaubt, dass ihre Röcke nicht zu kurz waren – und dass die Schmerzen, die sie an Körper und Seele erlitten haben, nicht erfunden sind. Dieses Tabu auch in unseren Köpfen zu brechen, damit die Täter ausnahmslos verurteilt werden und die Opfer im geschützten Raum der offenen Gesellschaft Mitgefühl und Heilung erfahren, wäre ein wesentliches Zukunftsziel im weltweiten Kampf für Frauen.

* Helga Amesberger,
Katrin Auer, Brigitte Halbmayr:
Sexualisierte Gewalt
Weibliche Erfahrungen in NS-
Konzentrationslagern.
Mandelbaum Verlag, 2016
512 S., € 22.00

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