AMEN UND MASEL TOV ZUR GROSSEN WEDDING PARTY!

Impressionen von einer modernen israelischen Hochzeit, die wenig mit einer traditionellen jüdischen „Chassene“ gemeinsam hat.

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Eine moderne israelische Hochzeit: „It was our party and we enjoyed it more than we expected.“ © 123RF

Wenn es einen Anlass braucht, um nach Israel zu reisen: Eine Hochzeit im erweiterten Familienkreis ist auf jeden Fall ein solcher. Dachten wir, als vor einigen Monaten ein kurzes „Save the Date“ eher überraschend per WhatsApp einlangte. Dass Aviv, die Tochter meines Cousins Azi, nun mit ihrem Freund Ofek zusammenlebte, wussten wir, von Heirat war bei unserem letzten Besuch aber noch nicht die Rede gewesen. Wir freuten uns jedenfalls, „savten“ den Termin und buchten den Flug, als die definitive Einladung auf dem Handy auftauchte.

Empfang und Chuppa zur Abendstunde an einem Donnerstag Ende Juni in Jaffo. Mehr konnte ich den spärlichen Angaben auf Ivrit nicht entnehmen. Dass die angeführte Event Location im Süden Tel Avivs, von außen eher ein Industriebau, ziemlich groß und trendy sein muss, offenbarte mir Google. Ein angesagter Küchenchef soll dort am Werk sein, und auf Weddings ist man sichtlich spezialisiert. Mehr an Information hatten wir nicht.

Religiös? Was zieht man an, gibt’s einen Dress Code? Von einer früheren Hochzeit in Tel Aviv wussten wir, dass es dort auch elegant zugehen kann, doch kenne ich die Familie meines Cousins als eher sehr leger. Mit Fragen wollte ich niemanden belästigen, und so entschloss ich koffergerecht: „Kleines Schwarzes“ und was drüber, weil es in derartigen Hallen für unsere Verhältnisse oft tiefgekühlt ist und die Arme für die Zeremonie vielleicht bedeckt sein sollten.

Denn, nächste Frage: Wie religiös wird es zugehen? Ist der Bräutigam frommer als die total säkulare Familie der Braut? Wir entschieden, uns in jeder Hinsicht überraschen zu lassen und für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

Die schüchterne Frage, was sich das junge Paar zur Hochzeit wünscht, war, wie ich ohnehin ahnte, ziemlich altmodisch und blieb demgemäß unbeantwortet. Geld, was sonst. Gut, nimmt keinen Platz ein.

So reisten wir mit leichtem Gepäck und voller Neugierde an. Als ich meinen Cousin tags darauf fragte, wann er denn Zeit für ein Treffen hätte, er sei doch sicher im Stress, so knapp vor der Hochzeit, sagte er, wie übrigens immer, „jederzeit, wann und wo du willst“. Die gesamte Organisation für den Anlass habe das Brautpaar in die Hand genommen. Er müsse nur zahlen, dachte ich mir im Stillen.

Beim Kaffee erfuhren wir schließlich Näheres. Der Schwiegersohn sei alles andere als religiös, das Paar hätte sogar erwogen, ohne Rabbiner zu heiraten. Da dies aber nur außerhalb Israels möglich ist, weil es im Land ja keine zivilen Trauungen gibt, heiraten sie nun doch mit Rabbiner unter der Chuppa. Es sei auch wegen der zukünftigen Kinder, in so unsicheren Zeiten wie diesen, fügte Azi eher kryptisch hinzu. Und ohne religiöse Heirat gibt es ja auch keine Scheidung in Israel. Also, kurzum, better safe than sorry.

Von Hora, Klezmermusik oder MizweTänzl keine Spur.

 

Mit einer rabbinischen Trauung ergeben sich auch Verpflichtungen für die Braut. Der Besuch einer Mikwe, also des religiösen Tauchbads, ist obligatorisch, ebenso eine kurze Ehevorbereitungseinheit, bei der es vor allem darum gehen soll, ein „jüdisches Haus“ zu führen. Beide Termine wären ganz harmlos und für sie eher gute Erlebnisse gewesen, erklärte uns die junge Frau später.

Unser Problem war es allerdings, ein Taxi zur Hochzeit nach Jaffo zu ergattern. Israelische Taxler winken mehr oder meist minder höflich ab, wenn man sie auf der Straße aufzuhalten sucht. Alles funktioniert nur noch im Internet via App.

Unter der Chuppa. Letztlich doch angekommen, fühlten wir uns sofort wohl. Ein großer begrünter, schattiger Innenhof, entspannte Atmosphäre, viele junge Leute, die Frauen eher sexy aufgebrezelt, die Männer unterschiedlich gewandet, Krawatten keine, Kopfbedeckungen wenige. An einem langen Buffet warteten bereits höchst kreative warme und kalte Goodies.

Koscher? Natürlich, versicherte mir ein entfernter Verwandter mit Kippa. Da wir ansonsten so gut wie niemanden der Gäste kannten, genossen wir die fröhliche Szene wie im Theater. Begrüßungen, Beküssungen, Gratulationen an das Brautpaar, immer wieder wurde spontan laut gesungen, bis endlich, da war’s schon nach neun Uhr Abend, die Chuppa auf den erhöhten Platz im Festsaal gestellt wurde und der Respekt gebietende Rabbiner erschien. Also doch alles wie gewohnt? Wart’s ab, sagte ich mir.

Früher, zu meiner Zeit, da wurde ein meist blasser Bräutigam von Vater und Schwiegervater zur Chuppa geschleppt. Die davor in einem abgesonderten Raum vom Bräutigam „bedeckte“, verschleierte Braut führten Mutter und Schwiegermutter unter den Hochzeitsbaldachin. Dass nicht nur dieser Brauch sich im Laufe der Jahrzehnte geändert hatte, bemerkte ich schnell. Ofek, dessen Vater leider bereits verstorben ist, wurde von seiner Mutter geleitet, Aviv von ihren Eltern. Erst vor der Chuppa „bedeckte“ sie ihr zukünftiger Mann. Ohne ihn auch nur einmal und schon gar nicht siebenmal, wie religiös üblich, zu umkreisen, stellte sie sich an seine Seite. Mit den vorgeschriebenen Segenssprüchen erfüllte der sympathische Rabbiner seine Pflicht, die Gästeschar stimmte mit „Amen“ ein, die Ketubba wurde verlesen, schließlich nahm der Bräutigam die Braut nach den Gesetzen „von Moses und Israel“ zur Frau und zertrat das Glas unter begeistertem Masel tov aller. Als darauf doch noch ein traditionelles Hochzeitslied angestimmt wurde, bei dem ich sogar mitsingen konnte, war ich erleichtert! Wenigstens das gibt es noch!

Unsere Erwartungen wurden beim kulinarischen Teil des Festes dann allerdings bei Weitem übertroffen. Von der Gänseleber bis zum Dessertbuffet, alles vom Feinsten und von allem natürlich viel zu viel. Wie die individuell gewählten warmen Speisen des Menüs punktgenau zu den Tischen gebracht wurden, zeugte von Routine und perfekter Logistik. Rührende Reden gab es keine, dafür war im hinteren Teil des Saales schon während des Essens die lautstarke Party mit DJ in vollem Gang. Aviv hatte die High Heels gegen Sneakers getauscht, Ofek bereits sein Sakko ab- und ein buntes Hemd angelegt, und so shakten sie inmitten ihrer Freunde zum lokalen Disco-Sound.

Zwar wurden sie fleißig auf Sessel gehoben, wie es sich gehört, doch von Hora, Klezmermusik oder Mizwe-Tänzl keine Spur! Eine israelische Hochzeit ist halt nicht unbedingt ein jüdische „Chassene“, wurde mir klar.

„It was our party and we enjoyed it more than we expected“, erklärte mir das glückliche Paar, als wir es nach seinem kurzen Honeymoon Weekend zum Abschied trafen. Genauso soll’s doch sein!

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