Die Ketubba – „Und ich gebe dir den Gesamtbetrag von …“*

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Die Ketubba könnte man als revolutionäres Dokument bezeichnen, sichert sie doch von je her die Rechte der Frau im Falle einer Eheschließung. Von Esther Graf

Jüdische Eheschließungen haben nichts Romantisches. Sie sind ein Vertragsabschluss, dessen Vorbereitung und Verlesung genau geregelt ist. Kernstück dieses Abschlusses ist die Ketubba, der Heiratsvertrag. Revolutionär mag dieses Dokument im Altertum gewesen sein, Respekt gebührt ihm in jedem Fall heute noch, weil es inmitten patriarchaler Strukturen die Rechte der Frau wahrnahm.

Urkunde über die Rechte der Frau

Die Ketubba, über deren biblischen oder rabbinischen Ursprung man sich uneinig ist, ist eine Heiratsurkunde, die traditionell auf Aramäisch abgefasst wird und die Pflichten des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau und Regelungen für den Fall seines Todes oder einer Scheidung enthält. Die Pflichten der Ehefrau gegenüber ihrem Mann werden in der Ketubba nicht genannt. Wichtig ist aber, dass die Ketubba mehr als eine Urkunde über die Rechte der Frau ist. Sie soll nicht nur eine schnelle Ehescheidung verhindern. Wirft man einen Blick auf die Vorschriften der Tora zu „Mehrehe“ und „Ehescheidung ohne die Einwilligung der Frau“, so kam die Ketubba durchaus der Frau zu Hilfe, da ihr dadurch eine wirtschaftliche Grundlage zugesichert wurde. Das Heiratsdokument sichert die Frau in drei Belangen ab: 1. Unterhalt, 2. Bekleidung und 3. Geschlechtsverkehr. In allen drei Punkten ist der Mann der Frau verpflichtet, nach einer Scheidung allerdings nur mehr in Punkt 1 und 2.

Der seit dem Mittelalter meist prächtig verzierte und illustrierte Ehevertrag wird von zwei männlichen Zeugen und dem Bräutigam unterschrieben. Verlesen wird die Ketubba nach dem Überstreifen des Rings unter der Chuppa und vor den sieben Segenssprüchen. Der Text ist formalisiert, und lediglich die Namen des Brautpaares, Ort und Datum der Eheschließung werden neu eingesetzt. Die Zusammensetzung des Gesamtbetrags, den zu zahlen sich der Bräutigam verpflichtet, bildet den Hauptteil der Ketubba. Neben 200 Sus für eine ledige Frau kommt noch der Gesamtwert der Aussteuer, die die Braut mitbringt und der sog. „Drittelzusatz“, die Aufstockung um ein Drittel der Aussteuer durch den Ehemann hinzu. Diese Beträge haben keine praktische Bedeutung mehr, seit Rabbi Gershom aus Mainz vor etwa 1.000 Jahren ein Verbot für die Mehrehe und die Eheschließung ohne Zustimmung der Frau festlegte.

Ketubba fester Bestandteil jeder jüdischen Hochzeitszeremonie

Und doch ist die Ketubba bis heute fester Bestandteil jeder jüdischen Hochzeitszeremonie. Die moderneren Strömungen im Judentum, Masorti und Liberal, zu deren Grundprinzipien die Gleichstellung von Mann und Frau gehört, nehmen jedoch inhaltliche Abweichungen vor. Die Zeugen müssen nicht mehr männlich sein, und die in der Ketubba fest gehaltenen Verpflichtungen gelten sowohl für ihn als auch für sie.

Nach wie vor werden Ketubbot von Künstlern gestaltet, worauf Juden, egal welcher religiösen Strömung sie angehören, Wert legen. Nicht selten wird das verzierte Dokument nach der Hochzeit eingerahmt und in der gemeinsamen Wohnung gut sichtbar aufgehängt.

 *Zitat aus einer traditionellen Ketubba.

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