Die neue Feinkosterei

Die zweite „Feinkosterei“ am Neuen Markt hat es in sich. Das Lokal ist eleganter und exquisiter, als der Name vermuten lässt.

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© Reinhard Engel

WINA-TIPP
DIE FEINKOSTEREI
Neuer Markt 10/11, 1010 Wien
+43/(0)1/39 61 282
Mo.–Do. 11-24 Uhr, Fr.–Sa. 11-1 Uhr, So. 11-23 Uhr
feinkosterei.wien/neuermarkt

Auch die unverbesserlichen Nostalgiker, die beim denkmalgeschützten Haus „Zum Roten Dachl“ am Neuen Markt im 1. Bezirk noch immer dem Gebrüder Wild*-Delikatessen-Olymp nachtrauern, werden im neuen Lokal nicht nur Trost finden, sondern die Vergangenheit hinter sich lassen: Die beiden Catering-Unternehmer Daniel Hirschmann und Matthias Schwarzmüller treten mit der Feinkosterei die kulinarische Nachfolge würdevoll an.

Eigentlich ist es die „Feinkosterei SchwarzHirsch Nr. 2“, denn das erste Lokal dieses Namens floriert bereits seit einigen Jahren auf dem Judenplatz (gleich neben dem Misrachi-Haus, aber trotzdem nicht koscher). Für den neuen, seit April 2023 geöffneten Restaurant- und Barbetrieb hat sich das Gastronomen-Duo etwas ziemlich anderes einfallen lassen. Täglich von 11 bis 24 Uhr gibt es im ersten Stock, der aufwendig umgebaut wurde und ein sehr ansprechendes Flair hat, mit österreichischen Speisen im Tapas-Format ein reiches Angebot in guter Qualität. Im Erdgeschoss gibt es einen eigenen Barbereich mit kalten und warmen Fingerfood-Spezialitäten sowie einer Auswahl an eigenen Brötchenkreationen mit eigens für die Feinkosterei gebackenem Sauerbrot.

„Wir bieten ein echtes österreichisches Tapas-Restaurant, sozusagen die gehobene Wirtshausküche im Kleinformat“, erzählt Daniel Hirschmann. „So muss man sich nicht schweren Herzens nur für eine Hauptspeise entscheiden.“ Das habe sich bereits gut bewährt, denn es komme auch ein Publikum, das seine ausländischen Gäste in die Feinkosterei einlädt, „weil sie hier eine Reihe von Wiener Klassikern kosten können, wie z.B. das Wiener Schnitzel vom Kalb, das Rindsgulasch oder den Steckerlfisch – und alles an einem Ort und in genießbarer Größe“.

Während das Servieren mehrerer Kleingerichte in vielen Ländern eine geliebte und „ganz normale“ Tradition ist, tat man sich hierzulande immer ein bisschen schwer. Aber das veränderte sich auch grundlegend mit der Reisetätigkeit der Österreicher. Risikofreudig haben die zwei Geschäftspartner, die seit 17 Jahren miteinander arbeiten, mitten in der Pandemie, im September 2021, mit dem Umbau auf dem Neuen Markt begonnen. „Das war eine echte Herausforderung“, verrät Hirschmann, der ebenso wie Matthias Schwarzmüller Quereinsteiger in der Gastronomie ist. „Ich habe als Nebenjob gekellnert, und Matthias gab dort den Barman. Seit 2006 sind wir im Catering, 2008 übersiedelten wir von Mödling nach Wien, weil wir spürten, dass da viel mehr los ist.“ Der erfolgreiche Catering-Betrieb ist im 14. Bezirk angesiedelt und richtete bisher um die 100 Hochzeiten aus – auch einige jüdische Feiern waren dabei –, zusätzlich wird von der Stadionverpflegung für SK Rapid und den LASK bis zur Betreuung von Business-Events für Politik, Wirtschaft und Botschaften so ziemlich alles gemacht.

© Reinhard Engel

Die Feinkosterei Nr. 2: „gehobene Wirtshausküche im Kleinformat“.

Was ihnen bislang aber gefehlt habe, sagt Hirschmann, sei ein Lokal, an dem sich die Identität des Unternehmens festmachen ließe. „Wenn Kunden weitererzählen können, dass sie ihre Hochzeit von den Feinkosterei-Leuten ausrichten lassen, dann liegen wir richtig.“ Weshalb es jetzt tatsächlich ein Lokal mit genau diesem Namen gibt, das nur österreichische Produkte verwendet und anbietet. Ist dieses Primat durchführbar? „Wir bieten keinen Champagner an, sondern z. B. „Schlumberger Brut Reserve“-Sekt, oder statt Coca Cola gibt es Tirola Kola. Natürlich sind Kaffeebohnen schwer in Österreich zu finden, aber wir bieten eine Röstung an, die eigens für uns kreiert wurde“, freut sich Hirschmann.

Abgesehen von der umfangreichen Speisekarte gibt es wöchentlich fünf „Specials“, wie z. B. eine Lasagne von der Lachsforelle (Gut Dornau) mit Spinat und Krensauce um € 10,90. Bei den Vorspeisen munden besonders die Gebackene Sardine mit Knoblauch-Aioli und Bratkartoffel um € 9,90 oder das Rote-Rüben-Carpaccio mit gegrillten Feigen, Kürbiskernen, Steinpilzöl und cremiger Erbsenguacamole um € 11,40. Als „Österreichische Hauptspeise“ firmieren hier Flaumige Spinatknödel mit brauner Butter und Salat um wohlfeile € 8,60 und die Geschmorten Paprika, gefüllt mit Balsamico-Senflinsen, Marillen-Kirschtomatenragout und Wildkräutersalat, für € 8,90. Keinesfalls auslassen sollte man die Desserts, darunter den köstlichen, aber viel zu kleinen, flüssigen Schokoladekuchen mit Vanilleeis (€ 7,40). Das Angebot an alkoholischen Getränken ist vielfältig, die Preisgestaltung etwas ambitioniert.

* Ein bekannter Nachfahre des Firmengründers Josef Wild (1861–1948), der mit Aloisia, geborene Dommayer (1867–1904), verheiratet war, ist Franz Welser-Möst, der berühmte österreichische Dirigent und Musikdirektor des Cleveland Orchestra.

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