Zum 77. Mal wurde heuer des Endes des 2. Weltkrieges und der Opfer der Shoah gedacht. Ein Erinnern, das ein unerträgliches Brennen in den Seelen der nur noch wenigen Überlebenden auslöst, aber auch bei jenen, die bloß eine vage Erinnerung an das unbeschreibliche Leid geerbt haben. Bilder, die immer verschwommener werden, je weiter wir uns von den Flammen entfernen. Sie haben sich jedoch tief in unser Unterbewusstsein eingebrannt – und sollen uns, Millionen kleiner Alarmanlagen gleich, warnen, wenn die Weltgeschichte wieder einmal eine Richtung einschlägt, die die Menschheit näher an die altbekannten Flammen führt.

77 Jahre nach der Befreiung stehen wir den Flammen näher, als wir es uns jemals hätten vorstellen können. Der Krieg, der sich jederzeit wie ein Flächenbrand ausbreiten könnte, tobt und ein Ende ist nicht in Sicht. Massengräber, Flucht und Vernichtung an den Grenzen Europas sind nicht Szenen aus einer hollywoodgleich gestalteten Serie eines Streaming-Portals, sondern zum Nachrichtenalltag geworden. Und so vermehren sich auch Verschwörungstheoretiker, so sichern sich illiberale Demokraten ihre politische Machtstellung und so wachsen die Zahlen rassistischer und antisemitischer Vorfälle auf den Straßen Europas und den Highways des Internet.

Erinnern und niemals vergessen – das, unter anderem, ist unsere Möglichkeit, die Weltgeschichte wieder in die Richtung zu lenken, die auch dem Mauthausen-Schwur aller ehemaligen politischen Gefangenen des Konzentrationslagers gerecht wird: „Wir werden einen gemeinsamen Weg beschreiten, den Weg der unteilbaren Freiheit aller Völker, den Weg der gegenseitigen Achtung, den Weg der Zusammenarbeit am großen Werk des Aufbaus einer neuen, für alle gerechten, freien Welt. Wir werden immer gedenken, mit welch großen blutigen Opfern aller Nationen diese neue Welt erkämpft wurde.“
Der Staat Israel wurde vor 74 Jahren aus den Flammen der Shoah geboren, wie auch die Idee der Europäischen Union – in der Hoffnung, dass alle nachfolgenden Generationen in einem freien, gerechten und antifaschistischen Europa leben werden. Angesichts der aktuellen Entwicklungen und ihrer noch nicht absehbaren gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Folgen, scheint diese Hoffnung in weite Ferne zu rücken.

Ein lautes „Niemals wieder“ zu Faschismus, Krieg und Vernichtung gewinnt also nach 77 Jahren immer mehr an Bedeutung – und wir als Erben müssen mit allen unseren Möglichkeiten einer demokratischen Gesellschaft auf die Umsetzung eben dieser Mahnung hinarbeiten – auch in ewiger Erinnerung an die Flammen der Shoah.

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