Ein Wochenende in Tel Aviv

Mit knapp einer halben Million Einwohner ist Tel Aviv eine vergleichsweise kleine Metropole. Was Multikulturalität anbelangt, können sich viele Städte noch was abschauen – aber vor allem hinsichtlich Toleranz.

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© Flash90/Olivier Fitoussi

Tel Aviv gehört zu den größten Metropolen in Israel und das mit etwa 500.000 Einwohnern. Was man in anderen Ländern als „Städtchen“ bezeichnet, wird hier als zweitgrößte Stadt nach Einwohnern (hinter Jerusalem) gefeiert. Zurecht. Schließlich muss sich Tel Aviv im Großstadtvergleich nicht verstecken, selbst wenn es um Themen wie attraktive Jobchancen, Gastronomie, Kultur, Lifestyle und Diversität geht. Die Möglichkeiten, sich in den verschiedensten Szenen und Kulturen wiederzufinden, scheinen unendlich und können dennoch mit nur einem typischen Tel-Aviv-Wochenende zusammengefasst werden.

Um das Wochenende in guter Atmosphäre zu starten, bietet sich Yafo als sehr gute Option an. Die Stadt, die quasi zu Tel Aviv gehört, ist stark von ihrer arabischen Bevölkerung geprägt und lädt vor allem im nördlichen Teil zur Kulinarik ein. Restaurants im Shuk HaPishpeshim sind prall gefüllt mit Menschen, die genüsslich orientalische Speisen wie Hummus und Knafeh (eine trendige arabische Nachspeise) essen, während sich im Hintergrund arabische Mizrahi-Musik mit Muezzins vermischt.

Hat man Lust auf etwas Abwechslung, lohnt sich ein kleiner Abstecher in die benachbarte Gegend Florentin (Süd-Tel-Aviv). Keine Ahnung, wie man hinkommen soll? Einfach der lauten Technomusik folgen, die sich vom Bass her nicht einmal vor Berliner Clubs schämen muss. Wo vor 30 Jahren nicht allzu viele freiwillig wohnen wollten, entsteht eine immer größer werdende Gemeinschaft an Young Professionals, Künstlerinnen und Künstlern sowie Hipstern, die das gute Leben genießen wollen. Dazu gehören auch die Rooftop-Partys, die ab Freitagmittag omnipräsent sind. Alternativ bietet sich auch der Besuch in einer der vielen Bars der Gegend an, die selbst mit ihren überteuerten Preisen (um die zehn Euro pro Bier plus Trinkgeld) kein Grund sind, zu Hause zu bleiben.

Der Gesang aus den Synagogen vermischt sich mit Partymusik aus den Bars. Jeder lebt seine Überzeugung aus und versucht sich nicht (zumindest allzu sehr) auf die Füße zu treten.

Im Zentrum der Stadt ist die Atmosphäre nicht anders. Am Freitag ist die ganze Stadt unterwegs und in ihrer ganzen Buntheit zu sehen. Menschen treffen einander auf der Rothschild Straße, dem Kikar Dizengoff oder in einem der unzähligen szenigen Restaurants und Bars. Auf der Straße versuchen motivierte Chabbadnikim, Männern ihre Te fil lin anzudrehen, während Demonstranten die Trennung von Religion und Staat fordern.

Wem das zu viel ist, der kann sich mit einem Spaziergang bei Sonnenuntergang auf der Strandpromenade helfen. Alle paar hundert Meter formt sich eine Menschentraube, die talentierten Musikern lauscht. Die Auswahl variiert von Top Charts über Rock und israelische Klassiker bis hin zu einem Streichquartett, das seinen Stammplatz am Schabbat-Morgen am Frischmann-Strand hat.

Die jedoch mächtigste Szene, die die Stadt zu bieten hat, spielt sich meiner Meinung nach kurz vor Schabbat ab. Menschen mit den verschiedensten Kippot gehen in die verschiedensten Synagogen (aschkenasisch, sephardisch, Carlebach, orthodox, reform, konservativ, jekisch, italienisch und viele andere), während leicht bekleidete Personen Volleyball am Strand spielen. Der Gesang aus den Synagogen vermischt sich mit Partymusik aus den Bars. Jeder lebt seine Überzeugung aus und versucht sich nicht (zumindest allzu sehr) auf die Füße zu treten. Utopie wird zu Realität? Wahrscheinlich nicht. Dazu gibt es noch viel zu viele Herausforderungen.

 

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