Lima, Perus Hauptstadt an der Pazifikküste, ist ein ruhiges Pflaster für die etwa 3.000 Juden, die hier leben. Aber auch in Iquitos, einer Stadt am Amazonas, fern im tropischen Regenwald, werden Kerzen am Schabbat angezündet. Dort nämlich leben die sogenannten „Amazonasjuden“. WINA traf sich mit der jungen Künstlerin Violeta Hinojosa Bendayán, einer Nachfahrin dieser Gruppe, die heute in Wien lebt.
• Interview: Sebestyén Fiumei
WINA: Sie wohnen mittlerweile seit drei Jahren in Wien. Wie kamen Sie hierher?
Violeta Hinojosa Bendayán: Mit einem achtjährigen Zwischenstopp in den USA! Ich bin in Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perus, geboren – der Heimatstadt meines Vaters. Meine Mutter kommt aus Iquitos, das genau am entgegengesetzten Teil Perus liegt. Sie haben einander dort kennengelernt. In meiner Kindheit habe ich eine deutsche Privatschule besucht und dort die deutsche Sprache erlernt. Mit einem Schüleraustauschprogramm habe ich ein halbes Jahr in der Nähe von Stuttgart verbracht. Nach meinem Abitur bin ich in die USA, nach Vermont, gezogen und habe dort Studio Art (ein Crossover aus Malerei, Bildhauerei, Fotografie und anderen Kunstrichtungen) an der Universität studiert. Während meines Studiums habe ich dann ein Auslandssemester in Salzburg gemacht und natürlich auch Wien besucht. Ich habe mich hier gleich wohl gefühlt und wollte, nachdem ich mit der Uni fertig war, zurückkommen. Genau an dem Tag, an dem ich die US-Staatsbürgerschaft erhielt, habe ich meinen Flug nach Wien gebucht – ein lustiger Zufall.
Sie sind jüdischer Herkunft, ihre Mutter stammt aus Iquitos, der Stadt der „Amazonasjuden“.
❙ Ja, mein Urgroßvater war ein sefardischer Jude aus Tanger, Marokko, und ist während des Kautschukbooms des späten 19. Jahrhunderts mit einem Schiff nach Brasilien und dann entlang des Amazonas bis Iquitos gekommen. In dieser Zeit war Iquitos reich und lockte tausende abenteuerlustige junge Männer aus Europa, aber auch aus Nordafrika an. Diese Zuwanderer machten nicht nur ihr Glück, sondern brachten auch europäischen Kleidungsstil, europäische Musik, Architektur und andere kulturelle Elemente nach Iquitos, in den Dschungel.
Die unwiderstehliche Magie von Iquitos hat auch den Regisseur Werner Herzog fasziniert, die er mit seinem vielfach ausgezeichneten Film „Fitzcarraldo“ Anfang der 1980er-Jahre wunderbar eingefangen hat.
❙ Genau! Diese Männer haben dann oft einheimische Frauen geheiratet und mit ihnen Familien gegründet und ihren Kindern die eigenen Traditionen weitergegeben – so auch die sefardischen Juden. Doch vier, fünf Generationen später ist fast nichts mehr davon übriggeblieben als ein jüdisches Bewusstsein ohne gelebte Traditionen. In den 1990er-Jahren haben dann viele ihr jüdisches Erbe wiederentdeckt. Es wurde viel über das Judentum gelernt, Schabbat wurde gefeiert, schließlich konvertierten die meisten auch offiziell. Bis heute haben ca. 500 Menschen aus Iquitos Alija gemacht. Meine Cousine ist auch zum Judentum zurückgekehrt – jetzt wartet sie auf die Papiere aus Israel.