„Nur Matze essen ist Pflicht“

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Immer mehr Menschen leiden heute an Lebensmittelallergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Beeinträchtigt das ein koscheres Leben? Und wie gesund sind koschere Lebensmittel, die industriell gefertigt wurden? Alexia Weiss sprach dazu mit Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister.

wina: Am Freitagabend werden in einem observanten Haushalt Challot gegessen, zu Pessach Matzot. Jemand zum Beispiel mit einer Glutenunverträglichkeit tut sich da schwer. Wie bringt man als religiöser Mensch seine Nahrungsmittelallergien oder -unverträglichkeiten mit den koscheren Speisegesetzen unter einen Hut?

Rabbiner Hofmeister: Egal, ob es sich um religiöse Anlässe oder den profanen Alltag handelt: Jemand, der an Allergien leidet, hat seinen Haushalt entsprechend eingerichtet. Und es gibt nur zwei Lebensmittel, die aus religiöser Sicht konsumiert werden müssen. Das ist zum einen, zur Zeit des Tempels, aber wir haben ja seit 2.000 Jahren keinen, das Pessach-Lamm. Selbst wenn man Vegetarier ist, müsste man da eine symbolische Menge, etwa so viel, wie in eine Zündholzschachtel passt, davon essen. Das ist aber heute eben nicht relevant. Das andere sind die Matzot. Matzot muss man am Sederabend essen, man muss auch Salat essen – Ei nicht. Was man essen muss ist maror, Salat, karpas, Gemüse, und eben Matzot.

Wie groß ist die Matze-Menge, die man konsumieren sollte?

❙ Etwas mehr als die Hälfte einer maschinengefertigten Matza, das ist das absolute Minimum – und das zwei Mal. Das ist relativ viel. Es gibt aber glutenfreie Matzot, auch koscher-le-Pessach. Es gibt also Alternativen. Es gibt noch kein Gemüselamm für das Pessach-Opfer – aber dieser Prob­lematik stellen wir uns, wenn es so weit ist.

Für Challot gibt es Rezepte mit und ohne Eier, und die gängigen Mehlsorten enthalten Gluten. Wenn ich Eier oder Gluten nicht vertrage – wie verhalte ich mich bei Schabbeseinladungen korrekt?

❙ Wir haben öfters Gäste mit Unverträglichkeiten. Sie bringen dann entweder ihre eigene Challe mit oder meine Frau bäckt glutenfreie Challot. Am besten und auch höflichsten ist es, solche Dinge bereits im Vorfeld abzuklären. Und neben Fleisch und Fisch steht ja am Schabbes auch immer viele Gemüse auf dem Tisch. Da sollte es keine Prob­leme geben.

Viele der koscheren Produkte, die man in den Supermärkten kaufen kann, sind processed food, also industriell hergestellt, haltbar gemacht und so produziert, dass der Konsument daraus rasch eine fertige warme Mahlzeit herstellen kann. Processed food gehört aber nicht unbedingt zu den gesunden Lebensmitteln, weiß man heute.

❙ Koscher bedeutet nicht automatisch, dass das so zubereitete Essen gesund ist. Da kommt es schon auf die Zubereitung an. Und natürlich ist es besser, selbst und frisch zu kochen – wenn es geht. Wenn ich verreise, bin ich froh, auf Dinge wie Aufgießnudelgerichte zurückgreifen zu können. Das schmeckt zwar nicht besonders – mir zumindest nicht, meinen Kindern schon –, aber man hat etwas im Bauch. Das sind Kompromisse, die man eingeht. Es gibt auch Diskussionen, ob ungesunde Produkte überhaupt den Hechscher verdienen. Rav Cook beispielsweise war Vegetarier und hat sich dazu stark eingebracht. Es gibt also eine Diskussion, wenn auch noch nicht in der Zertifizierungsbranche. Dieses Bewusstsein, dass man sich gesund ernähren sollte, ist da noch nicht besonders ausgeprägt.

Wo liegen die spezifischen Probleme bei koscherem processed food?

❙ Man braucht oft chemische Ersatzstoffe für natürliche Dinge, die sonst nicht koscher wären. Der rote Farbstoff für Gummibärchen ist zum Beispiel rein chemisch. Um Speisen parve zu machen, wie parve Sahne, habe ich am Ende Produkte, die nicht nur aus Kokos und/oder Soja bestehen, sondern eben auch Chemie beinhalten. Es kann also manchmal kontraproduktiv sein, wenn man versucht, Dinge zu imitieren. Grundsätzlich sind aber koschere Lebensmittel nicht ungesund – sie sind eben nur nicht automatisch gesund.

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