Foto: flash90

„Es kommt eine Welt, in der alle verdächtig sein werden, die schön sind. Und alle, die begabt sind. Und alle, die Charakter haben. Schönheit wird eine Beleidigung sein. Begabung eine Provokation. Charakter ein Attentat.“ Sándor Márai

 

„Alle Juden, vom Knaben bis zum Greis, Kinder und Frauen, an einem einzigen Tag zu vertilgen, zu erschlagen, zu vernichten und ihre Habe als Beute plündern“, lautete der Plan Hamans im alten Perserreich. Errettet wurden die Juden durch Königin Esther, die mutig und klug für ihr Volk eintrat, sie zum Widerstand ermutigte und damit ein Wunder herbeiführte.
Viele der jüdischen Feiertage beruhen auf einem ähnlichen Prinzip: Das Volk wurde verfolgt und sollte vernichtet werden, einer oder einige aus dem Volk standen auf und leisteten Widerstand, und dann geschah ein Wunder, und sie wurden mit G-ttes Hilfe errettet. Und am Ende wird gefeiert.
Das Purimwunder war viel stiller, eher wie das Ergebnis zufälliger Ereignisse, und geschah in jener Ära des persischen Reichs, in der sich die Juden sicherer fühlten und in relativem Wohlstand lebten. Doch genau in dieser vermeintlichen Sicherheit wurde plötzlich das Dekret zu ihrer Vernichtung erlassen. Integration, Assimilation, Wohlstand, Sicherheit: Diese Abfolge wiederholte sich in der Geschichte immer wieder und endete meist tragisch – zuletzt in einer bis dahin unvorstellbaren Dimension.
Heute leben wir erneut in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen immer weniger sicher fühlen – und dieses Gefühl wird angesichts der wachsenden Zahl an rassisti­schen Vorfällen immer wieder mit Fakten untermauert. Wir leben in einer Zeit, in der auf wirtschaftliche Nöte, gesellschaftliche und gesundheitspolitische Fehlentwicklungen mit populistischen Parolen und nationalistischen Ideen geantwortet wird und Weltverschwörungstheorien eine bessere Konjunktur haben als die Weltwirtschaft.
Noch geht es uns allen gut, noch können wir, die wir aufgrund unserer Geschichte vielleicht vorsichtiger sind als andere Teile der Gesellschaft, in die Geschehnisse eingreifen, noch können wir die Entwicklungen anhalten. Und so sind wir aufgefordert, laut zu schreien wenn wir Hamans Namen hören, wenn Menschen zum Spielball politischer Machtspiele degradiert, grundsätzliche und unumstößliche Menschenrechte verletzt werden. Wir sind verpflichtet aufzustehen und Zivilcourage zu beweisen, damit am Ende, wenn alle Hamans überwunden wurden, doch noch ein großes Fest gefeiert werden kann.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein Purim sameach und viel Freude beim Lesen.

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