WINA: Es ist sehr traurig, dass wir Sie unter diesen Umständen auf Ihrem neuen Posten begrüßen müssen. Bitte bringen Sie uns auf den neuesten Stand der Lage in Israel.
David Roet: Ein Wort aus persönlicher Sicht: Ich war bereits auf dem Weg nach Wien, da habe ich meine Schwägerin und meine fünf Kinder angerufen und alle aufgefordert, in die sicheren Bunker zu gehen. Genau in solche Sicherheitsräume, die schon viele Leben gerettet haben, aber an diesem schrecklichen 7. Oktober, den wir nie vergessen werden, zu Orten wurden, an denen Jüdinnen und Juden verbrannten. Es hat immer wieder Gewaltzyklen gegeben, aber nie so etwas! Es ist unfassbar, und das ist ein kritischer Moment in der Existenz Israels. So etwas wird es nie wieder geben! Wir werden die Hamas komplett vernichten.

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass sich auch die Nachbarstaaten in den Konflikt einschalten – und Israel attackieren?
Ich weiß es nicht, ich hoffe nicht. Sie haben in den letzten Tagen schon große Fehler gemacht. Ich sage, was ich auch in den UN-Gremien immer gesagt habe, nämlich: „Macht nicht den Fehler, die Israelis zu unterschätzen!“ Wir wollen keinen Konflikt mit dem Libanon, aber wenn sie uns angreifen und wir hineingezwungen werden, wird es eine Antwort geben.

 

„Ich war bereits auf dem Weg nach Wien,
da
habe ich meine Schwägerin und meine fünf Kinder
angerufen
und alle aufgefordert, in die sicheren Bunker zu gehen.“

 

Wird dann der US-Flugzeugträger Israel zu Hilfe kommen?
Noch vor zehn Tagen war ich im Außenministerium zuständig für unsere Beziehungen zu den USA. Es war jetzt das erste Mal in fünf Jahren, dass ich US-Außenminister Blinken bei seinem Besuch in Israel nicht begrüßen konnte. Israel hat keinen besseren Freund als die USA, sie stehen zu uns, in guten und in schlechten Zeiten, und wir sind auch sehr dankbar für diese Unterstützung. Ich war auch total überrascht von der großen parteiübergreifenden Unterstützung Israels in Österreich. Ich habe bereits zweimal mit Bundeskanzler Karl Nehammer gesprochen, aber auch mit dem Außenminister, mit dem Parlamentspräsidenten und dem Bundespräsidenten. Österreich und Israel teilen die gleichen Werte, wie Demokratie, Freiheit, Schutz des Lebens und Kampf gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit. Dass Österreich die Finanzierung für den Gazastreifen und somit auch die Hamas einstellt, hat auch in diesen schwierigen Zeiten in Israel Schlagzeilen gemacht.

Die Befreiung der Verschleppten und gefolterten Geiseln hat für Israel oberste Priorität. Behindert das Zahal (IDF) bei seinen Aktionen im Gazastreifen?
Nein. Wir werden jeden Hamas-Mörder verfolgen, dessen wir habhaft werden. Die Option, dass wir mit der Hamas verhandeln könnten und den Gazastreifen finanziell fördern, damit sich die Menschen dort ändern und in Frieden leben – das ist jetzt alles vorbei. Ich sage: Befreit Gaza, befreit es von der Hamas, vom ständigen Terror. Denn wir denken doch ständig an die Eltern und Familien der Geiseln, an die Toten und jene, von denen wir nicht wissen, was mit ihnen in den Händen dieser barbarischen Hamas geschieht – und dieses Wort habe ich in meiner ganzen bisherigen diplomatischen Karriere nie verwendet. Aber wenn wir bedenken, wie viele Menschen gefoltert, geschändet, vergewaltigt und geköpft haben – ohne Unterschied, ob jung, alt oder behindert, dann müssen wir diese Terrororganisation bis zum Ende bekämpfen.

Die Opfer-Täter-Umkehr beginnt sich angesichts der Bilder aus Gaza bereits langsam in den Medien niederzuschlagen. Was kann Israel dagegen tun?
Ja, Bilder sprechen einen an. Aber es muss auch klar sein, dass die volle Verantwortung für das, was die Palästinenser in Gaza jetzt erleben, die Hamas zu tragen hat. Wir bemühen uns sehr, die Unbeteiligten nicht zu verletzen, und bitten sie, die Orte zu verlassen, wo wir aktiv werden. Aber ganz ehrlich gesagt: Wenn wir wissen, dass ihr Nachbar ein Hamas-Aktivist ist, dann wissen sie es auch; wenn wir wissen, dass jemand gekidnappt wurde, um Bomben zu bauen oder abzuschießen, dann haben das die Nachbarn auch gewusst. Die Palästinenser sollten sich gemeinsam mit Israel gegen die Hamas stellen, denn ihre Führung ist offensichtlich zu schwach, um sie zu schützen. Auch in Wien sollte man nicht für, sondern gegen die Hamas demonstrieren.

 

Es kann und wird nichts mehr so sein wie vor dem 7. 10.

 

Aber wohin sollen diese Menschen gehen?
Das ist auch ein Narrativ, das sich schon Jahrzehnte hält und nicht stimmt. Sogar in dieser schwierigen Situation fühle ich mit den Menschen in Gaza. Haben Sie es schwer? Ja, keine Frage, aber wenn sie und andere dachten, dass wir nach diesen Geschehnissen wieder zur Tagesordnung übergehen, dann haben sie sich geirrt. Es kann und wird nichts mehr so sein wie vor dem 7. 10..

Wie können Israel als Staat und seine Bevölkerung dieses Trauma je überwinden? Wird Israel noch als sicherer Hafen für Juden aus aller Welt gelten können?
Es ist herzzerreißend, das zu hören. Viele Menschen vergleichen das jüngste Drama, das Schlimmste seit der Shoah, mit dem Jom-KippurKrieg, aber der Vergleich hinkt. 1973 ging es um die Existenz Israels, aber wir sind sehr widerstandsfähig, als Israelis und auch als Gemeinschaft in der ganzen Welt. Wir werden unsere Bürgerinnen und Bürger schützen. Ich war zu Tränen gerührt bei der solidarischen Kundgebung der kleinen Gemeinde in Wien – und wir alle sind zusammengerückt und helfen. Wir werden das schaffen, we will overcome!

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