WINA: Wenige Tage nach dem Beginn des massiven Terrors durch die Hamas in Israel am 7. Oktober hat die IKG Wien am Ballhausplatz zu einem Gedenken für die über 1.000 Ermordeten aufgerufen, an dem auch die Spitzen der österreichischen Politik und viele nichtjüdische Menschen teilgenommen haben. Warum ist das so wichtig?

Oskar Deutsch: Viele unserer Gemeindemitglieder haben Verwandte, Freunde und Bekannte in Israel. Demensprechend ist die Stimmung in der Gemeinde, nachdem man die Bilder gesehen hat, die zeigen, was die Hamas hier verbrochen hat: Babys, Kinder, Frauen, ältere Menschen wurden wie Freiwild behandelt und entweder ermordet oder nach Gaza verschleppt. Daher war mir klar, dass wir hier ein solches Gedenken organisieren müssen. So eine Veranstaltung ist aber auch für Israel wichtig. Wenn Israel sieht, dass hier Menschen, vor allem aber die österreichische Regierung, die Stadt Wien, der Bundespräsident, der Parlamentspräsident und viele andere wichtige Politiker hinter Israel stehen, dann ist das auch ein Zeichen der Solidarität. Und diese Solidarität braucht die Bevölkerung in Israel jetzt.

Zeitgleich gab es am Stephansplatz eine schließlich von der Polizei nicht genehmigte propalästinensische Kundgebung, zu der mit dem Slogan „Free Palestine from the River to the Sea“ aufgerufen worden war und bei der laut Medienberichten auch Parolen wie „Kindermörder Israel“ skandiert wurden. Müssen sich Wiener Juden und Jüdinnen Sorgen um ihre Sicherheit machen?

OD: Niemand muss sich Sorgen machen. Wir sind in engem Kontakt mit dem Innenministerium, der Polizei und dem Militär. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden schon am Tag der Anschläge sofort erhöht, und wir bemühen uns, dass es auch weiterhin erhöhte Sicherheitsvorkehrungen gibt. Grundsätzlich ist Wien eine der sichersten Städte für Juden und Jüdinnen in Europa.

„Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch
diese Situation meistern werden.“
Oskar Deutsch

Jeder Konflikt, bei dem Menschen in Israel ermordet werden, führt leider erfahrungsgemäß zu einer Verstärkung von Antisemitismus weltweit. Sie treten seit Jahren dafür ein, dass jüdisches Leben ein gutes Rezept dagegen ist. Wie schwierig ist die Balance zwischen Sicherheitsbedürfnis und der Öffnung nach außen derzeit?

OD: Genau das: Jüdisches Leben ist die Antwort auf Antisemitismus, jüdisches Leben ist aber auch die Antwort auf Terrorismus. Und wenn es in den Straßen Wiens Feiern für den Tod gibt, wenn es islamistische Schlachtrufe gibt, ist das für mich als Präsident der Kultusgemeinde nur ein weiteres Zeichen dafür, dass wir für noch mehr jüdisches Leben sorgen müssen – noch mehr Kulturveranstaltungen, noch mehr Synagogen, Schulen, Jugendarbeit, Sportvereine. Auf all das müssen wir uns konzentrieren.

Fotos und Videos von Morden wurden kurz nach dem Beginn der massiven Terroranschläge im Netz vor allem über Social Media verbreitet. Eltern sind damit konfrontiert, dass ihre Kinder solche Aufnahmen gesehen haben. Das kann zu psychischen Problemen führen. Welche Unterstützung bietet die IKG hier?

OD: Wir haben uns hier sofort mit ESRA kurzgeschlossen. ESRA hat eine Hotline installiert, ist täglich erreichbar und kümmert sich um Betroffene. ESRA kümmert sich aber nicht nur um Gemeindemitglieder, die Ängste und Sorgen haben. Es leben auch relativ viele Israelis in Wien, die nun mit psychischen Problemen konfrontiert sind, und auch hier ist ESRA Anlaufstelle. Das ist sehr wichtig.

„Babys, Kinder, Frauen, ältere Menschen wurden wie Freiwild
behandelt
und entweder ermordet oder verschleppt.“
Oskar Deutsch

Wie geht es Ihnen persönlich seit Ausbruch dieses massiven Terrors in Israel?

OD: Ich habe viel zu tun. Ich muss das alles gemeinsam mit meinem großartigen Team bewältigen, und das ist eine große Herausforderung. Wir hatten die Herausforderung Corona, wir hatten und haben die Herausforderung der ukrainischen Flüchtlinge und sind jetzt mit den Angriffen der Terrororganisation Hamas auf das einzige demokratische Land im Nahen Osten und den daraus resultierenden Implikationen auf unsere jüdische Gemeinde konfrontiert. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch diese Situation meistern werden. Wichtig ist jedoch nicht nur, dass es der Gemeinde in Wien gut geht, wichtig ist vor allem, dass die Bevölkerung in Israel wieder baldigst in Frieden und mit viel Selbstbewusstsein leben kann. Wir wissen zwar nicht, wie lange sich dieser Krieg, den die Hamas begonnen hat, hinziehen wird. Ich bin aber sicher, dass am Ende des Tages Israel als Sieger hervorgeht. Davon bin ich hundertprozentig überzeugt.



INFORMATION  DES  IKG-KRISENSTABS
Infolge der Hamas-Angriffe gegen Israel und islamistische Bedrohungen gegen jüdisches Leben weltweit hat der IKG-Krisenstab in enger Zusammenarbeit mit
Verfassungsschutz, Polizei und Bundesheer zusätzliche Maßnahmen für jüdische Schulen, Synagogen und andere jüdische Einrichtungen gesetzt. Aktuelle und vor allem verifizierte Informationen wie Handlungsempfehlungen für Eltern oder Besuchern und Besucherinnen von Synagogen erhalten Sie stets im Newsletter (www.ikg-wien.at/newsletter).

Falschinformationen
Terrorismus zielt auch auf die Verbreitung von Angst ab. In diesem Zusammenhang ersuchen wir Sie eindringlich, nur verifizierte Informationen weiterzugeben. Falsche Informationen und ihre Interpretationen können in der aktuellen Situation Chaos verursachen. Dieser Art von Fake News müssen wir alle gemeinsam entgegentreten.

Verdächtige Vorgänge melden Sie umgehend der Polizei (Tel. 133), der IKG-Sicherheitszentrale (01/ 369 85 26) bzw. dem Sicherheitspersonal vor Ort. Im Nachgang können Sie Vorfälle unter www.antisemitismus-meldestelle.at melden.

ESRA-Unterstützung
Die Expertinnen und Experten bei ESRA, dem psychosozialen Zentrum der IKG, arbeiten eng mit den Schulen zusammen und bieten allen Gemeindemitgliedern kostenlose Beratung an. ESRA-Hotline: 01/214 90 14. Darüber hinaus wurde in ESRA ein Team zur Unterstützung von in Wien festsitzenden israelischen Familien gebildet. Sie können Israelis in Wien die ESRA-Hotline geben.

Spendenaufrufe für Israel
Auf www.ikg-wien.at finden Sie eine laufend ergänzte Übersicht von Organisationen in Israel, die Sie finanziell unterstützen können. SMS-Sicherheitshinweise
Alle Gemeindemitglieder und Mitarbeitende der IKG sowie ihrer Institutionen können unter
sms.ikg-wien.at den kostenlosen SMS-Service der IKG-Sicherheitsabteilung abonnieren.

Am Israel Chai!
Oskar Deutsch (für den Krisenstab)



 

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