von Marta S. Halpert
Die Langzeitfolgen des Holocaust wurden in Ungarn bis heute nicht wirklich untersucht. Das Schweigen der zutiefst traumatisierten Überlebenden ist ein bekanntes Phänomen“, konstatiert Ferenc Erös, Psychologieprofessor an der Universität Pécs, derzeit Forschungsbeauftragter am Wiener Wiesenthal-Institut (VWI). „Doch wenn die Gesellschaft schweigt und nicht den mindesten Versuch einer Aufarbeitung unternimmt, wird daraus ein kollektives Verschweigen“, so der ungarische Wissenschafter, dessen Forschungsschwerpunkte Fragen der jüdischen Identität sowie jene der psychoanalytischen Theorie und deren Anwendung auf soziale Probleme von Trauma und kultureller Erinnerung umfassen.
Daher kritisiert Erös auch, dass nach dem Zweiten Weltkrieg „das Augenmerk vor allem der psychischen Verfasstheit der Täter gegolten hat und als Folge die psychosoziale Betreuung der Opfer vernachlässigt wurde“. Im Rahmen seiner mehrmonatigen Senior Fellowship am VWI hielt Erös einen bemerkenswerten Vortrag im Sigmund Freud Museum mit dem Titel Von der Kriegsneurose zum Holocaust-Trauma. Dabei zog er auch Parallelen zwischen den Schützengraben- bzw. Bombenneurosen (shell shock) im Ersten Weltkrieg und dem Holocaust-Trauma.