„Auf jungen Menschen liegt ein Erfolgsdruck wie nie zuvor“

Nach einer turbulenten Karriere im internationalen Hotelmanagement ging Dennis Weinmann neue berufliche Wege als Betreuer im Kindergarten der Israelitischen Kultusgemeinde und als Betreiber einer Praxis für Cranio-Sacral-Therapie im 2. Wiener Gemeindebezirk.

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© Ronnie Niedermeyer

WINA: Vor nicht so langer Zeit waren Männer in Kindergärten noch eine ungewohnte Erscheinung. Wie wurde dein Berufswunsch in der jüdischen Gemeinde aufgenommen?
Dennis Weinmann: Die Entscheidung, mich im Alter von fünfunddreißig Jahren beruflich komplett neu zu orientieren, wurde allgemein bewundert und als mutig empfunden, auch wenn mich in den ersten Monaten viele Leute – vor allem andere Männer – noch belächelten. Männer in der Kinderbetreuung werden nach wie vor als etwas Ungewöhnliches gesehen, da steht noch viel Aufklärungsarbeit an. Aber ich bin immer schon gegen den Strom geschwommen und habe mich selten von den Aussagen anderer beeinflussen lassen.

Was würdest du diesen Menschen gerne verständlich machen?
❙ Für Außenstehende ist es nur schwer nachvollziehbar, wie viel Anstrengung und Verantwortung der berufliche Alltag im Kindergarten mit sich bringt. Gleichzeitig bereichert es mich sehr, bei der Entwicklung der Kinder aktiv mitwirken zu können und zu beobachten, wie sie über sich hi-
naus wachsen. Ihre Ehrlichkeit und Lebensfreude motivieren mich jeden Tag aufs Neue.

»Wir haben vergessen, auszuschalten und auf unseren Körper zu hören.«

Wie gehst du mit Helikopter-Eltern um?
❙ Eine klassische Aussage mancher Eltern lautet: „Es ist kalt, mein Kind soll heute nicht in den Garten.“ Dank meiner langjährigen Erfahrung im Tourismus und der Gastronomie habe ich gelernt, mich in andere Menschen hineinzuversetzen und ihre Motivationen zu erkennen. Das hilft mir auch, so genannte Helikopter-Eltern zu verstehen. Letztlich wollen sie ja nur das Beste für ihr Kind. Sobald ich ihnen verständlich machen kann, dass auch der Kindergarten auf seine Weise dieses Ziel verfolgt, akzeptieren sie das. Ob das Kind nun in den Garten geht oder nicht, entscheidet im Endeffekt die Gruppendynamik und nicht das Elternteil.

Woher kam die Idee, dich mit der Osteopathie im Allgemeinen und der Cranio-Sacral-Therapie im Speziellen zu beschäftigen?
❙ Mich um das Wohlergehen anderer Menschen zu kümmern, war mir immer schon ein Bedürfnis. Dies hat mich sehr früh in die Gastronomie geführt – wo mir im Laufe der Jahre aber immer mehr auffiel, wie viel Ausbeutung und Selbstbetrug auf allen Ebenen stattfinden. Das hat meiner Seele, meinen Nerven, meiner Freizeit und am Ende auch meiner Gesundheit zugesetzt. Um aus diesem Tief herauszukommen, nahm ich Hilfe in Anspruch und bin so auf die Cranio-Sacral-Therapie gestoßen. Diese Behandlungsmethode hat bei mir sofort angeschlagen. Ich bekam meine Lebensfreude zurück und fand meine Mitte wieder. So entschloss ich mich, selbst in diesem Feld eine dreijährige Ausbildung zu machen, um auch anderen helfen zu können – was ja nach wie vor mein größtes Anliegen ist.

Etliche wissenschaftliche Studien zweifeln die Wirksamkeit dieser Therapieform an. Was möchtest du dem entgegensetzen?
❙ Das ist sehr einfach. Da ich durch eigene Erfahrungen die Wirksamkeit erlebt habe und schon sehr vielen Erwachsenen und Kindern Schmerz und unnötige Operationen ersparen konnte, habe ich keinen Grund, an dieser Therapieform zu zweifeln. In der heutigen Welt muss alles jetzt und sofort passieren. Für alles gibt es eine App, Fastfood ist mittlerweile oft Standard, und auf jungen Menschen liegt ein Erfolgsdruck wie noch nie zuvor. Die Zeit läuft uns davon, wir haben vergessen, auszuschalten und auf unseren Körper zu hören. Bei Kopfschmerzen bekommt man sofort eine Tablette, bei Rückenschmerzen eine Spritze, bei Übergewicht einen Magenbypass und so weiter. Aber langsam dreht sich der Wind. Immer mehr Leute wollen sich wieder Zeit nehmen, interessieren sich für alternative Behandlungsmethoden, schauen bewusster auf ihren Körper, ernähren sich mit heimischen und saisonalen Produkten und machen sich mehr Gedanken über einen ausgewogeneren Lebensstil.

Was sind deine Ziele für die Zukunft?
❙ Ich lebe gerade meine Zukunft. Ich habe alles erreicht, was ich mir erträumt habe: eine Ehefrau, die mich in allen Anliegen und Verrücktheiten unterstützt. Zwei wundervolle Buben, die mich zu einem unglaublich stolzen Vater machen. Familie und Freunde, die mich so akzeptieren, wie ich bin, und auf die ich zählen kann. Menschen in Behandlung, denen ich zu einer bedeutsamen Lebensverbesserung verhelfen kann. Ich bin gesund, ich bin glücklich, und so darf es in Zukunft ruhig weitergehen.

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