Editorial

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst.“ Mahatma Gandhi

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Der Rothwald – ein Stück unberührter Urwald in Niederösterreich. © Hans Glader/Wildnis Dürrenstein-Lassingtal

Albert Rothschild beschloss 1875, ein Stück Urwald in Niederösterreich zu erwerben und als unberührten Primärwald für die Nachwelt zu erhalten: ein visionärer Gedanke in einer Zeit, in der der Mensch noch mit aller Kraft versucht hat, seine Umwelt zu beherrschen, und sie damit wohl auch nachhaltig kaputt gewirtschaftet hat. Was kaputt ist, muss repariert werden: Tikkun Olam. Die Reparatur und Verbesserung der Welt gehören zu den höchsten ethischen Prinzipien des Judentums und sind Impuls für viele, sich ihrer Umwelt stets bewusst zu sein – und hoffentlich auch in ihrem Sinne zu handeln.

Doch es gibt noch weitere Prinzipien, die uns zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer (Um-)Welt verpflichten. Eines der 613 Gebote heißt Bal Taschchit: Lo taschchit! Vernichte nicht! und kann als Verbot, die Welt mutwillig zu zerstören, gedeutet werden. In seiner ursprünglichen Form verbot es die Zerstörung von Obstbäumen. Auch in Kriegszeiten.

Früchte erhalten das Leben, und wir schätzen das Leben über alles andere. Nicht nur das eigene. Ein Obstbaum trägt die Früchte für seine eigene Fortpflanzung. Darüber hinaus bietet er aber auch Nahrung für andere Lebewesen und dient als vielseitiger Rohstoff. Unser Nutzen ist jedoch nicht der Hauptzweck der Früchte, sondern die Schaffung einer neuen Generation. Und so besteht auch unsere Welt nicht, um sie leer zu konsumieren, sondern um so in ihr zu leben, dass eine neue Generation in ihr entstehen kann, die hoffentlich gesünder und glücklicher ist.

Überfischung, Abholzung, Kohlendioxidemission, Treibhauseffekt, Artensterben sind nur einigevon vielen Ursachen für die Zerstörung der Erde. Der Mensch hat zu lange nicht erkannt, dass der Hauptzweck des Lebens darin besteht, sich in all seinen Formen zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Es gibt (noch) genug Ressourcen auf dem Planeten für uns alle, wenn wir endlich gemeinsam nach besseren Lösungen als dem reinen Konsum und Vergnügen für unsere eigenen Zwecke suchen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir die Hüter der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen sind und im Umgang mit diesen Verantwortung für die folgenden Generationen tragen.

Ein weiteres Konzept stammt aus Levitikus 19:16. Darin wird uns befohlen, nicht zu verleumden und dem Blutvergießen unserer Nächsten nicht tatenlos zuzusehen, und das heißt, nicht zuzulassen, dass jemand bzw. etwas geschädigt wird, wenn wir es verhindern können. Es ist jenes Leitprinzip, das sich – wie ich vor kurzem gelesen habe – auch Rabbiner Abraham Joshua Heschel zur Grundlage seiner Friedensarbeit während des Vietnamkriegs machte: „Und so beschloss ich, meine Lebensweise zu ändern und mich für den Frieden in Vietnam zu engagieren.“ Heschel macht damit deutlich, worin der Schlüssel zum Wandel liegt: im persönlichen Entschluss, sich zu ändern – nicht zum Eigenzweck, sondern für die Gemeinschaft.

Wenn wir alle unser Verhalten nur ein wenig ändern – ein Ding mehr recyceln, eine Flugreise weniger unternehmen, einmal mehr den öffentlichen Nahverkehr statt das Auto nutzen, statt Golfrasen ein wenig Wildwuchs für Insekte im Garten stehen lassen und statt ein neues Paar Schuhe ein altes, liebgewonnenes reparieren lassen –, können wir die Welt für die kommenden Generationen vielleicht doch so hinterlassen, dass sie die Möglichkeit erhalten, es noch besser zu machen, anstatt sich darum zu kümmern, die Hitzewellen, den Wasser- und Rohstoffmangel und die daraus resultierenden kriegerischen Konflikte zu überstehen.

Und so heißt es im Midrasch: „In der Stunde der Schöpfung, als G’tt den ersten Menschen schuf, nahm er ihn und zeigte ihm alle Bäume im Garten Eden, im Paradies. Er sagte dem Menschen: Siehe wie schön und angenehm meine Schöpfung ist. Und alles, was ich erschaffen habe, habe ich für dich getan. Denk daran, meine Welt nicht zu verderben und zu zerstören. Wenn du es aber tust, wird es keinen geben, der sie nach dir reparieren kann.“ Albert Rothschild hat mit seiner visionären Idee ein Stück seines Gartens Eden für die Nachwelt bewahrt.

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