Kulinarische Tour in Bnei Brak

So nah und doch so fern – nur eine 15-minütige Autofahrt trennt Bnei Brak, die Hauptstadt der Orthodoxie, von Tel Aviv.

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Gaumenfreuden: Obwohl traditionell, gehen auch kulinarische Trends an Bnei Brak nicht vorbei. © Bhuka Tours

Es ist „Leil Schischi“, Donnerstagabend, und in Bnei Brak ist die Hölle los. Es ist das Wochenende vor Rosch ha-Schana, und orthodoxe Männer, Frauen und Kinder eilen durch die Straßen, um die letzten Einkäufe zu erledigen. Der Müll stapelt sich auf den engen Gehsteigen, die Busse sind gerammelt voll, und das Überqueren der Straßen wird zu einem Abenteuer.
In der HaRav Avraham Yitzchak HaCohen Kook Street, kurz HaRav Kook, wartet Ido auf mich. Er macht seit über zwei Jahren in Bnei Brak kulinarische Touren an „Leil Schischi“. Ido arbeitet für Bhuka Tours, die kulinarische Spaziergänge anbieten und über Geschichte, Politik, Straßenkunst, Architektur und Stadtplanung der verschiedenen Nachbarschaften aufklären, ob bulgarisches Essen in Yafo oder sudanesische Spezialitäten in Neve Shaanan.
Ido kommt nicht alleine, sondern mit einem Einkaufswagen, den er zu einer tragbaren Bar umfunktioniert hat. Zur Begrüßung schenkt er allen Teilnehmern ein Gläschen Wein ein. „Ich komme aus einem säkularen Haushalt, aber das aschkenasische Essen hatte einen großen Stellenwert bei uns. Es liegt mir am Herzen. Vergesst das Stigma vom geschmacklosen und fahlen aschkenasischen Essen und lasst euch auf ein kulinarisches Erlebnis ein.“

Die Bevölkerungsdichte in Bnei Brak
gleicht der von Manhattan,
nur ohne Wolkenkratzer.

Die erste Station ist das Delikatessengeschäft von Mosche und Schlomi. Neben Klassikern wie gehackter Leber und Gefiltem Fisch bieten sie auch Spezialitäten wie „Fakon“, die koschere Variante von Bacon, an. Tradition und Moderne treffen hier aufeinander. Ido serviert uns kalt und warm geräucherten Thunfisch, während sich ein junger Soldat an der Theke für das Wochenende eindeckt. Weiter geht es zu „Zehava“, wo wir in Rote Rüben eingelegten Hering verkosten. Auch hier, obwohl traditionell, gehen kulinarische Trends an Bnei Brak nicht vorbei: Peruanische Ceviche und Hering in Curry werden neben Kartoffelkugeln angeboten. Tschulent wurde natürlich auch nicht ausgelassen auf der Tour, und zwischen den Stationen erklärt Ido, wie man die Chassiden von den „Litwaks“ oder „Mitnagdim“ unterscheidet; und immer wieder werden wir von Kindern umzingelt, die gespannt zuhören, was wir über sie denken. „Die Einwohner von Bnei Brak sind genauso interessiert an uns wie wir an ihnen“, erzählt Ido.
Es ist eng in Bnei Brak. Die zehntgrößte Stadt in Israel platzt aus allen Nähten, der Wohnungsmarkt hat seine Grenzen erreicht. Die Bevölkerungsdichte in Bnei Brak gleicht der von Manhattan, nur ohne Wolkenkratzer. In der Regel gibt es nicht mehr als sechs Stockwerke, denn viele Orthodoxe verweigern Aufzüge. Die Einwohner lösen das Problem, indem sie sich einen Balkon als extra Zimmer dazu bauen, aber auch das ist begrenzt. Bnei Brak hat ca. 200.000 Einwohner, das sind fast 28.000 Menschen pro Quadratkilometer. Der überwiegende Teil davon ist ultraorthodox, und fast 50 Prozent der Einwohner sind unter 18 Jahre alt. Wer die Volljährigkeit erreicht und eine Familie gründet, zieht in andere Städte mit religiöser Mehrheit wie Modi’in Illit, Beitar Illit, El’ad oder nach Jerusalem.
Obwohl es keine Kaffeehauskultur in Bnei Brak gibt, findet man eine Vielzahl an Konditoreien. Eine der ältesten ist die Konditorei Katz, wo die Produktion der Honigkuchen für das neue jüdische Jahr auf Hochtouren läuft. Doch das Highlight ist die Vishnitzer Bäckerei in der Shimshon Hagibor Street. Eine Challa-Fabrik, die Kultstatus hat und deren Challa auf den Speisekarten der hippen Inlokale in Tel Aviv zu finden ist.
Während uns Ido die Geschichte des „Times Square“ von Bnei Brak, die Kreuzung von Rabbi Akiva and Rashi Street, erzählt, überhöre ich ein Gespräch eines orthodoxen Mannes am Telefon: „Moische, bleib kurz dran, hier ist eine Gruppe Touristen … Oy! Die reden ja Hebräisch. Das sind Touristen aus Tel Aviv.“

1 KOMMENTAR

  1. „Bnei Brak, die Hauptstadt der Orthodoxie“

    Bnei Brak ist nicht „die Hauptstadt der Orthodoxie“, aber zweifellos eines der bedeutendsten Zentren der ULTRA-Orthodoxie (neben Jerusalem natürlich).

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