Start-ups in Wien und Budapest

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Kata und Panni Klementz, die Gründerinnen von Loffice, betreiben in den beiden Donaustädten Gemeinschaftsbüros für Jungunternehmer. Von Reinhard Engel

Die Geschäftsidee stammt aus Kalifornien. „Wir haben dort einen Google-Programmierer kennen gelernt“, erzählt Kata Klementz, „der meinte, es ist nicht so toll, immer zuhause oder im Kaffeehaus zu arbeiten“. Er gründete ein Gemeinschaftsbüro für Menschen in ähnlichen Situationen. „Und er hat gesagt, es wäre toll, wenn jemand sein Konzept stehlen würde. Das haben wir getan.“

Im Jahr 2008 kauften die beiden Schwestern Kata und Panni mit finanzieller Unterstützung ihrer Eltern und mehrerer Investoren in Budapest eine heruntergekommene Druckerei in bester Innenstadtlage, nahe am Andrássy-Boulevard und gleich um die Ecke vom belebten Liszt Ferenc tér. „Es war eine Ruine“, erinnert sich Kata Klementz. „Wir haben sie in zwei Jahren Arbeit vorsichtig renoviert, um das Alte, wo es zu retten war, zu bewahren.“ Die Immobilie hatte immerhin 1.000 Quadratmeter und große Räume. Der Name Loffice setzt sich aus den Wörtern Loft und Office zusammen.

© Dömölky DeeDee Dániel
© Dömölky DeeDee Dániel

„Ich erinnere mich noch an die ersten Mieter“, erzählt Kata. „Es war eine Drei-Mann-Agentur, die Musikgruppen gemanagt hat: lauter Männer, das blieb die ersten acht Monate so, dann sind auch Frauen eingezogen.“ Das Bild wurde bald sehr bunt, mit Kleinunternehmen aus unterschiedlichsten Branchen: Headhunter und Grafiker, Marketingspezialisten und einzelne Rechtsanwälte. Ein Schwerpunkt bildete sich bald rund um IT und Webdesign. Die meisten von ihnen sitzen an großen Tischen mit jeweils acht Personen. Natürlich überlebt nicht jedes Start-up die ersten Jahre. Doch die Klementz-Schwestern scheinen eine glückliche Hand gehabt zu haben, mehr als 80 Prozent der Firmen blieben länger als zwei Jahre.

Und es wurden immer mehr, so dass sie bald in Budapest zwei weitere Standorte eröffneten, diesmal mit kleineren Büroräumen für Gründer und ihre Angestellten, die lieber ungestört arbeiten als im Großraum. Schon in Budapest waren die Mieter ziemlich international, unter ihnen fanden sich Holländer und Deutsche, Schweizer und Franzosen. Kata Klementz: „Manche von ihnen haben einen Diplomaten geheiratet und sind deshalb ein paar Jahre in Ungarn, andere kamen für ein konkretes Projekt oder für zwei Sommermonate.“

„Das Co-Working im Open Space hat nicht funktioniert, das wollten die Wiener nicht annehmen – wir haben daher Kojen eingebaut.“ Kata Klemenz

Vor zwei Jahren internationalisierte sich Loffice selbst – Donau aufwärts. „Wir wollten einfach ein zweites Standbein in Wien haben“, so die Gründerin. Die wirtschaftliche und politische Lage in Ungarn schien ihnen nicht gerade vielversprechend, außerdem sahen sie einen Markt für ihr Projekt bei Ungarn, die ähnlich dachten oder im wohlhabenden Nachbarland vorsichtig eine Expansion testen wollten. Also kauften die Schwestern – wiederum mit Familiengeld und Hilfe externer Investoren – in Wien-Neubau zwei große Wohnungen in einem ehemaligen Fabrikgebäude, um ihr erfolgreiches Modell ein weiteres Mal umzusetzen.

Doch Wien ist nicht Budapest, sie mussten einiges adaptieren. „Das Co-Working im Open Space, also im Großraumbüro hat nicht funktioniert, das wollten die Wiener nicht annehmen“, erzählt Kata. „Wir haben daher Kojen eingebaut und kleine Büros geschaffen.“ Dem gegenüber lief ein anderes Geschäftsfeld deutlich besser als erwartet, nämlich das Vermieten des Veranstaltungsraums für Events. Es gibt in Wien etwa 20 Gemeinschaftsbüros für Kleinunternehmen, aber kaum eines von ihnen kann einen Saal für bis zu 150 Gäste bieten. Daher kommen auch Mieter von dort und organisieren im Loffice ihre Schulungen, Präsentationen oder Workshops. Außer Unternehmen war auch die Israelitische Kultusgemeinde bereits zweimal zu Gast, einmal mit einer Kulturveranstaltung und dem ungarischen Schriftsteller György Konrád, einmal mit einem Networking-Abend für ungarische Geschäftsleute in Wien.

Es gibt in Wien etwa 20 Gemeinschaftsbüros, aber kaum eines von ihnen kann einen Saal für bis zu 150 Gäste bieten.

Zwischen Wien und Budapest

Zu den Mietern von Loffice gehört neben Wiener Start-ups wie einer Firma für Hotel-PR und mehreren IT-Unternehmen auch eine ungarische Rechtsanwaltskanzlei. Manche ungarische Firmen, die in Österreich arbeiten, nutzen hier die Möglichkeit, Büros bloß tageweise zu mieten oder als Adresse für ihre Geschäftspost. „Das sind etwa kleine Baufirmen, die hier ihre Baustellen haben, aber kein Büro rund um die Uhr benötigen“, erzählt Kata Klementz. Es gibt auch einen Textilhändler mit Geschäften in Budapest, der hier das Terrain sondiert, und einige Gastronomen, die sich nach Wiener Standorten umschauen. Sie werden dazu auch fachkundig beraten.

© Dömölky DeeDee Dániel
© Dömölky DeeDee Dániel

Angesprochen auf die IKG-Veranstaltung, die ungarischen Neounternehmer und wie viele Juden sich unter ihnen befinden, schätzt Kata, „vielleicht 70 Prozent. Die Juden finden einander auch.“ Sie selbst hat eine jüdische Mutter und einen katholischen Vater und geht zu den hohen Feiertagen in den Tempel – früher meist in Budapest in die Frankel-Leo-Synagoge, jetzt hier in den Stadttempel. „Seit zwei Jahren lebe ich in Wien, aber ich versuche, zumindest alle zwei Wochen einmal nach Hause zu fahren.“ Die Arbeitsteilung mit ihrer Schwester läuft auf zwei Schienen: erstens nach Ländern: Kata betreut Wien, Panni die Budapester Standorte; zweitens ist die gelernte Rechtsanwältin Kata für juristische Beratung der Kundschaft zuständig, ihre Schwester, die Kunst und Wirtschaft studiert hat, macht das Marketing; die Geschäftsführung liegt bei beiden.

Das Juristische verlässt Kata Klementz auch trotz all der IT- und Webdesigner nicht: Beide Eltern sind Anwälte, und auch ihr Ehemann vertritt vor allem ungarische Firmen in Budapest, selbst wenn er jetzt bei ihr in Wien wohnt. Das Pendeln gehört einfach zum Leben in zwei Donaustädten dazu.

wien.lofficecoworking.com

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