Apfelstrudel, Musik und Bahngleise

Diesen Herbst bekam die Österreichische Botschaft in Israel nicht nur eine neue Botschafterin, sondern erstmals auch eine Attachée für Hightech. Geleitet wird das neue Büro von Judith Rabfogel-Scheer aus dem Wiener Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, die nun dieses völlig neue Ressort an der österreichischen Vertretung aufbauen soll.

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Judith Rabfogel-Scheer: Österreich hat viel zu bieten. Tecxport.at präsentiert österreichische Technologielösungen für zahlreiche Bereiche und fördert damit die Zusammenarbeit beider Länder. ©Daniela Segenreich-Horsky

WINA: Wie kam es zu der Entscheidung, dieses neue Büro zu schaffen? Gab es da in Hinblick auf Israels Start-up-Kultur und auf das Know-how der israelischen Technologieunternehmen die Überlegung, den Zug in die Hightechzukunft nicht zu verpassen?
Judith Rabfogel-Scheer: Es ist richtig, dass Israel sich einen Namen als Start-up-Land gemacht hat, und es haben mittlerweile alle Technologieländer und hochrangigen Firmen hier eine Art von Niederlassung, ein Hightechzentrum oder einen Innovation Hub. Aber uns geht es vor allem auch um den Austausch zwischen Österreich und Israel und darum, das Bewusstsein für österreichisches Know-how hier in Israel zu verstärken. Die meisten Israelis verbinden mit Österreich noch immer Apfelstrudel, Wienerschnitzel und Musik. Aber Österreich hat ja weitaus mehr zu bieten. Wir sind heute sehr stark im Waste-Management, im öffentlichen Verkehrs- und im Gleiswesen, in der Energieeffizienz, um nur einige Bereiche zu nennen. Und da gibt es hier in Israel oft ein Aha-Erlebnis … Man darf nicht vergessen, dass Österreich zum Beispiel schon Anfang des letzten Jahrhunderts die Elektrifizierung der Eisenbahn vorgenommen hat, während hier erst ein Teil der Zugstrecken elektrifiziert sind.
Technologietransfer und der Austausch von Know-how im internationalen Bereich ist vielen innovativen österreichischen Infrastrukturanbietern ein Anliegen. Deswegen ist jetzt Tel Aviv nach Jakarta die zweite Stadt mit einem österreichischen Technologie-Attaché. Damit wird ein Fokus auf einen Bereich gelegt, der in diesem Land so wahnsinnig präsent ist, und beide Länder können zeigen, was sie im Technologiebereich Positives zu bieten haben.

»Damit wird ein Fokus auf einen Bereich gelegt,
der in diesem Land so wahnsinnig präsent ist,
und beide Länder können zeigen, was sie im Technologiebereich Positives zu bieten haben.«

Was sind Ihre ersten Ziele? Wie geht man so ein Unternehmen an?
❙ Es geht zuerst einmal um ein „Raising of Awareness“, also darum, das hiesige Bewusstsein für die österreichischen Technologien und Infrastrukturen zu schärfen und um die stärkere Bewusstmachung von Österreich als interessanten und interessierten Gesprächspartner für langfristige Kooperationen. Und ich sehe bereits jetzt, dass es hier große Bereitschaft gibt, sich mit österreichischen DiplomatInnen und VertreterInnen der Ministerien in diesem Zusammenhang an den Tisch zu setzen. Für mich ist es schön zu sehen, dass das angenommen wird, die Resonanz hier zu sehen. Ich höre immer wieder: „Endlich gibt’s da einen spezifischen Kontakt, eine Ansprechperson für diese Themen an der Botschaft …“
Und ich konnte auch hier bei der Konferenz des INSS (Institute for National Security Studies), bei der es um die Beziehungen zwischen der EU und Israel geht, wieder hören, wie wichtig eine gut funktionierende Infrastruktur auch für Israel ist, etwa auch im Bereich der Cyber-Sicherheit und Cyber-Infrastruktur. Wir sehen hier ein großes Potenzial für Zusammenarbeit.

Gibt es schon konkrete Verbindungen, und kommen Sie da nicht der Arbeit der Handelsdelegation in die Quere?
❙ Es gibt natürlich zahlreiche österreichische Firmen, die hier schon lange aktiv sind und von der österreichischen Außenwirtschaft, mit der wir eng zusammenarbeiten, bestens betreut werden. Aber jetzt soll dieser Austausch auch auf interstaatlicher Ebene mit Hilfe von bilateralen Abkommen verstärkt gefördert werden. So kann man auf interministerieller Ebene nochmals Schwerpunkte setzen. Meine Aufgabe als Tech-Attachée ist es, hier auf öffentliche Institutionen, wie Ministerien, Behörden, aber auch auf Netzwerker zuzugehen, den Dialog zu fördern, eventuell noch vorhandene Barrieren abzubauen und Österreich als Bereitsteller von kreativen technologischen Lösungen zu präsentieren. Wir haben viel zu bieten, beispielsweise in der Energieeffizienz, im Asphaltrecycling, bei Mautsystemen. Österreich ist führend in der Tunnelsicherheit, in der Gleisbautechnik und bei Schienensystemen. Wir haben ein großartiges öffentliches Transportsystem und ein unglaubliches Streckennetz! – Das alles sind Bereiche, von denen Israel profitieren kann.
Gleichzeitig ist Israel natürlich auch ein spannender Partner. Hier gibt es diese Gründerkultur und eine sehr agile Innovationsszene, die das Land mit dem Prinzip „Fehler sind nicht das Ende eines gescheiterten Projekts, sondern der Anfang von etwas Neuem“ zur Start-up-Nation gemacht hat. Israelis sagen auch immer: „Wir sind das Land der 80 Prozent, denn mit einem 100-Prozent-Anspruch kommt man nicht weiter.“

Sie hatten ja schon zuvor eine enge Verbindung zu Israel. Wie können Sie sich da einbringen, und was bedeutet diese Aufgabe für Sie persönlich?
❙ Ich bin in Wien in einem traditionell jüdischen, aber auch sehr österreichischen Haus aufgewachsen und habe neben meinem Studium der Politikwissenschaft auch Philosophie und Judaistik studiert und dabei meine ersten Hebräischkenntnisse bezogen. Später habe ich hier an der Universität Tel Aviv einen Ulpan (Hebräischkurs) gemacht und habe über Jahre meine Kontakte und Beziehungen zu diesem Land aufgebaut, die mir jetzt sehr hilfreich sein können. Und ich bin ja auch mit einem Israeli verheiratet, der jetzt nach zehn Jahren in Österreich sein Land „wiederentdeckt“. Gleichzeitig liegt mir auch meine Funktion in der jüdischen Gemeinde in Wien, wo ich im Tempelvorstand war, weiterhin am Herzen.
Meine Wurzeln sind also österreichisch und jüdisch, das gehört für mich immer zusammen. Deswegen ist es für mich so, als würden sich alle meine Fähigkeiten und Erfahrungen in dieser neuen Aufgabe verbinden. Ich empfinde es als sehr besonders, dass sich meine persönlichen und meine beruflichen Anliegen, mein Vorwissen und meine Expertise und die Liebe für die beiden Länder hier zum Wohle einer größeren Sache plötzlich gefunden haben. Und es ist schön zu sehen, was für großes Interesse mir hier in dieser Funktion entgegengebracht wird. Von den Ideen zur Umsetzung ist es natürlich immer noch ein großer Schritt, aber ich freue mich sehr darauf, diese spannende und wichtige Aufgabe hier mit den kompetenten Teams aus meinem Ministerium in Wien und vor Ort unter Botschafterin Hannah Liko anzugehen.

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