Die Rechte lässt grüßen

Der Politikwissenschaftler Matthias Falter analysierte Nationalratsdebatten, um festzustellen, wie oft es dabei um Rechtsextremismus ging. Die Forschungsergebnisse sind ernüchternd.

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Matthias Falter: Die Grenzen der Demokratie. Politische Auseinandersetzungen um Rechstextremismus im österreichischen Nationalrat. Facultas Verlag, 289 S., 60,70 €

Das Thema Rechtsextremismus ist in Debatten des österreichischen Parlaments sehr präsent. Zu diesem Ergebnis kommt der Politikwissenschaftler Matthias Falter in seiner Dissertation, die nun unter dem Titel Die Grenzen der Demokratie auch als Buch erschienen ist. Genauer angesehen hat er sich dabei die politischen Auseinandersetzungen um Rechtsextremismus im österreichischen Nationalrat in den Jahren 1999 bis 2013.
Dabei erstaunt dann doch, wie oft über Rechtsextremismus diskutiert wurde: Falter fand in 39 Prozent aller Nationalratssitzungen themenspezifische Kontroversen, Äußerungen oder Zwischenrufe. Besonders stachen dabei die Jahre 1999 bis 2002 – damals kam es zur ersten schwarz-blauen Koalition – heraus. Der Politikwissenschaftler spricht hier von Rechtsextremismus als „Querschnittsmaterie“, denn debattiert wurde darüber „oftmals unabhängig von den jeweiligen Tagesordnungspunkten“.
Ein Beispiel: Gleich die erste Sitzung des damals neu gewählten Nationalrats Ende Oktober 1999 entwickelte sich als Reaktion auf Aussagen des FPÖ-Kandidaten für das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten, Thomas Prinzhorn, zu einer Debatte über Rassismus und eben auch Rechtsextremismus, wie Falter nachzeichnet. „Während des Wahlkampfs hatte Prinzhorn in einem Interview behauptet, dass AusländerInnen mit staatlicher Unterstützung fruchtbarkeitssteigernde Hormonpräparate bekommen würden, während dies InländerInnen oft verwehrt bliebe. Prinzhorn reproduzierte damit verschwörungstheoretisch aufgeladene rassistische Diskurse, die eine Bedrohung der imaginierten biologischen, d.h. ‚völkischen‘ Substanz konstruieren. Vergangenheitspolitische Dimension bekam die Debatte um Prinzhorn noch durch Medienberichte über die Verwicklung von Prinzhorns Konzern in Arisierungen während der NS-Zeit.“

Rechte Tendenzen. Die Debatte um Prinzhorn habe sich in der Folge zu einer generellen Debatte über extrem rechte Tendenzen in der FPÖ und einen allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruck entwickelt. Politischer Hintergrund war der große Erfolg der FPÖ unter Jörg Haider bei der vorangegangenen Nationalratswahl. Prinzhorns Äußerung sei im Kontext eines von ethnischen Feindbildern geprägten Wahlkampfes der FPÖ gefallen. „Mit dem affichierten Plakatslogan ‚Stop der Überfremdung‘ hatten die Freiheitlichen einen Begriff aus dem historischen und zeitgenössischen rechtsextremen Denken in den offiziellen Wahlkampf eingeführt und damit auch zu einer Normalisierung beigetragen“, analysiert Falter. „Spitzenkandidat Prinzhorn und Parteichef Haider wurden auf einem weiteren Wahlplakat als ‚zwei echte Österreicher‘ präsentiert, das an ein ÖVP-Plakat von 1970 erinnerte, in dem sich der ÖVP-Spitzenkandidat Josef Klaus als ‚echter Österreicher‘ gegenüber dem jüdischen SPÖ-Kandidaten Bruno Kreisky präsentierte.“
Man merkt bei der Lektüre des Buches also rasch: Hier ist man mitten in der österreichischen Verfasstheit der Gesellschaft, die zwar in Nationalratsdebatten oft diskutiert, aber in der Realität kaum verändert wird. Davon zeugten nicht zuletzt die Vorkommnisse und Debatten unter der türkis-blauen Koalition von Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) in den vergangenen Jahren. Falter spricht von einem „uneindeutigen Verhältnis zwischen Rechtsextremismus und der demokratischen Gesellschaft“ und konstatiert: „Dem abstrakten, parteiübergreifenden Konsens der Ablehnung von Rechtsextremismus steht die Normalisierung extrem rechter Positionen und Politiken gegenüber. Rechtsextremismus ist Teil der österreichischen Normalität und manifestiert sich im semiprivaten Raum ebenso wie in der politischen und medialen Öffentlichkeit.“

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