„Die Nationen erwarten von uns, dass wir Vorbild sind.“

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Michael Laitman leitet eines der größten Bildungszentren für Kabbala in Israel. Den Blogs, Radio- und Fernsehsendungen des umstrittenen Mystikers folgen weltweit Millionen Menschen. Redaktion und Fotografie: Ronnie Niedermeyer

WINA: Was kann uns die Kabbala über das Zusammenleben zwischen Juden und Arabern im Nahen Osten lehren?

Michael Laitman: Die Juden befinden sich in einer Schlüsselposition, die eine friedliche Koexistenz nicht nur mit unseren arabischen Nachbarn gewährleistet, sondern mit allen Völkern dieser Erde. Und das ist davon abhängig, wie sehr wir in Verbindung stehen: Denn als verbindende Kraft können wir alle Völker beeinflussen. Das ist es, was mit „Licht unter den Völkern“ (Jesaja 42,6) gemeint wird. Die Nationen erwarten von uns, dass wir ihr Vorbild sind – und hassen uns, wenn wir diese Vorbildfunktion nicht ausreichend erfüllen. Das wird bereits im babylonischen Talmud prophezeit. „Ein Strafgericht kommt über die Welt nur wegen Israel“ (Jabmuth 6,63a). Ob wir das Ziel der Schöpfung erreichen, hängt davon ab, ob wir der ganzen Welt zeigen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Levitikus 19,18). Das Volk Israel muss zu einer Einheit verschmelzen, und dann werden sich auch alle anderen Völker um uns versammeln.

„Ohne die Weisheit der Kabbala wissen wir nicht zu leben.“ Michael Laitman

Und diesen Zustand können wir durch das Studium der Kabbala erreichen?

❙ Ja, selbstverständlich. Nur durch das Studium der Weisheit der Kabbala, wie es schon im Zohar und anderen Schriften erwähnt ist, wird das Volk Israel aus dem Exil befreit. Viele Kabbalisten haben darüber geschrieben – und wer kennt denn die Geheimnisse der Welt und des Systems, das uns beherrscht, besser als sie? Im Grunde spricht die Kabbala genau darüber, wie geschrieben steht: „Ich habe den bösen Trieb erschaffen, und ich habe die Tora als Mittel gegen ihn erschaffen“ (Qiddušin 1,30b). Allein der Egoismus verhindert es, dass wir Brücken zueinander bauen. Doch diesen bösen Trieb können wir ins Gute umkehren: durch das Studium der Kabbala oder zumindest durch die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen.

Was genau ist Kabbala eigentlich?

❙ Kabbala ist eine Weisheit und eine Wissenschaft. Sie erklärt uns, wie die Welt aufgebaut ist, wie sie sich verhält und wie man sie zum Wohle der Menschheit beeinflussen kann.

Gershom Scholem gilt allgemein als Begründer der modernen Kabbala-Forschung. Was halten Sie von ihm?

❙ Für mich ist er kein Kabbalist, sondern ein Philosoph. Er hat die Kabbala erforscht, ohne nach ihren Richtlinien zu leben. Er schreibt über die Kabbala aus einem externen Standpunkt heraus, wie wenn sie ihn persönlich nicht betrifft. Deshalb akzeptiere ich ihn nicht. Immer mehr Philosophen – und ich bin selber Doktor der Philosophie – verstehen heutzutage, dass man Kabbalist sein muss, um Kabbala zu verstehen. Das heißt, wir lernen nicht nur diese Werte, wir leben sie auch.

Wie bringen Sie also die Kabbala und deren Werte einem breiten Publikum näher?

❙ Wir leben in einer Welt, in der Politiker nichts mehr zu sagen haben. Die traditionelle Familie fällt auseinander, Kinder hören nicht mehr auf ihre Eltern, die Jugend will nicht heiraten und Nachwuchs zeugen, die Technologie nimmt uns Arbeitsplätze weg. Angesichts dieser Situation sind wir ratlos. Doch die Kabbala bietet Antworten. Dort wird erklärt, wie es so weit kommen konnte und was wir jetzt dagegen unternehmen können. Ohne die Weisheit der Kabbala wissen wir nicht zu leben.

Also ist es gut, dass die zahlreichen Kabbala-Schulen auf der Welt dieses Bedürfnis erfüllen?

❙ Falls es darum geht, den Leuten rote Fäden zu verkaufen und ihnen dafür Hoffnung zu geben, können sie das recht gut. Aber der wahre Sinn der Kabbala ist, den Menschen von seinem Ego zu befreien und ihn dazu zu bringen, nach den Regeln der Tora zu leben. Soweit ich das sehe, hat keine dieser Organisationen sich das zum Ziel gesetzt.

Aber wie schafft es gerade jemand, der so zahlreiche Anhänger hat, sich von seinem eigenen Ego zu befreien?

❙ Durch die Weisheit der Kabbala lernt man, dass Zuneigung, Bewunderung und Bekanntheit für das eigene Glück nicht notwendig sind. Von meinen Schülern verlange ich nur eines: dass sie mir zuhören und sich bemühen zu verstehen.

2 KOMMENTARE

  1. Vielen Dank für diesen wirklich wichtigen und sehr interessanten Artikel!!!!!
    Worauf warten wir noch? Wozu noch weiter Zeit verschwenden? Laßt uns anfangen diese Weisheit zu erforschen! Danke nochmal an Wina!

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