Robert Schindel – „Ich bin ein Jude aus Wien“

Robert Schindel zum 80. Geburtstag

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Liebender, Freund, Mensch: Robert Schindel wird im April 80 Jahre alt. © GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

4.4.1944. Ein Datum, ein Schicksal, eine Gebürtigkeit. Für das Kind, das in Bad Hall das damals dunkle Licht der Welt erblickte, standen die Sterne keineswegs günstig, aber drei mutige jüdische Frauen sicherten letztlich sein Überleben. Seine Mutter Gerti, die Fürsorgerin Franziska Löw und die Kinderschwester Mignon Langnas. Sein Vater, ein jüdischer Kommunist, kam im KZ um.

Mit seiner aus Auschwitz zurückgekehrten Mutter wuchs Robert in Wien heran und wurde so manches. Schulabbrecher, Buchhändler, Student der Philosophie, Maoist, Kommunarde, Nachtredakteur und schließlich freier Schriftsteller, Romancier, Lyriker und Essayist, Lehrender, Juror und Literaturvermittler. Ein echter Alt-68er und kantiger Zeitgenosse.
Ein Liebender, ein Freund, ein Mensch.

Bekenntnisse. „Ich bin ein Jud aus Wien“, so seine Selbstbeschreibung in einem Gedicht aus der Waldheim-Zeit, in der seine „Neschome“, die jüdische Seele, aus allen anderen Identitäten heraus aperte. Aber dann gleich und fortan mit allen Konsequenzen. Robert trat der Kultusgemeinde bei, „denn wenn man als Jude spricht, soll man auch Steuern zahlen und sich zur Gemeinde bekennen“, und entdeckte seine Liebe zu Israel.

„Erst nach Überwindung der linken antizionistischen Weltanschauung habe ich eingesehen, dass es einen jüdischen Staat auch für die Juden in der Diaspora geben muss, und habe angefangen, mich dazu zu bekennen. Das heißt ja nicht, dass ich alles gut finde. Man muss halt zwei Arten von Diskussionen führen. Eine führt man dort, die andere führt man hier, so geht es ja vielen jüdischen Menschen.“ Was er mir so vor Jahren in einem Interview erklärte, dazu steht er heute umso mehr.

„Ich bin ein Jud aus Wien“
Robert Schindel

Vergangenheiten. Mit dem später verfilmten Erfolgsroman Gebürtig, einer Landmark der österreichischen Nachkriegsliteratur, stimmte der Opernfreund mit einem mächtigen Akkord 1992 sein Lebensthema an: die literarische Aufarbeitung der Shoah, einer nicht vergangenen Vergangenheit, die er mit dem kritischen Zeitpanorama Der Kalte fast zwanzig Jahre danach weiterführte. Der letzte Band seiner Die Vorläufigen genannten Trilogie, seiner epischen Bilanz der schicksalhaften Gebürtigkeiten des 20. Jahrhunderts, steht noch aus. Er soll semifiktiv und beispielhaft die Lebensgeschichte seiner Mutter erzählen, einer aktiven Kommunistin und Widerstandskämpferin, deren Ideale, Utopien und Hoffnungen an den Schrecken der Zeitläufte zerbrechen mussten. Der Titel Genia und die lichte Zukunft steht für Robert fest und dass er im Juni 2025 abgeschlossen sein soll. Warum nun dieser Terminstress, wo er doch eher ein bedächtiger Schreibender ist, hab ich ihn kürzlich gefragt. Robert, wie in den letzten Jahren so oft an der Seite seiner späten Liebe Theresia Ritter, schüttelte langsam den noch immer schwarzen Lockenkopf und meinte leise lächelnd: „Ich muss mich jetzt beeilen, denn ich will ihn beenden, solange ich noch bei Sinnen bin.“

Schreiben ist für ihn eine Art „Angstbannung“, das Anschreiben gegen Albträume aus frühester Kindheit mit ein Motiv seiner literarischen Arbeit. Schreiben gegen das Vergessen wohl auch, und deshalb muss Robert Schindel noch lange weiter schreiben. Bis 120!

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