„Es ist ihm doch Böses widerfahren“

„Frederic-Morton-Park“ heißt seit Kurzem eine kleine Grünfläche unweit des Jörgerbads. Mit einer Dauerausstellung erinnert auch das Bezirksmuseum auf dem Elterleinplatz an den ehemaligen Hernalser. Dort sind aber noch weitere jüdische Spuren zu entdecken.

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Aus der Kuffner-Villa ins Bezirksmuseum von Hernals: Ein Zedernholzrelief mit alttestamentarischem Sujet. © Konrad Holzer; STARPIX / picturedesk.com

Am sogenannten Hernalser Spitz versteckt sich im letzten Geschoß eines prächtig renovierten Bankhauses ein fast anachronistisch anmutendes Bezirksmuseum. Exponate verschiedenster Art, Kuriosa, alte Plakate, einzelne Möbelstücke, Musikinstrumente, jede Menge Fotos und Sammlerstücke aus allen Ecken des 17. Bezirks erzählen von Weinhauern, Gaststätten, Villen, Kinos und Etablissements, die längst schon der Vergangenheit angehören.
Auch das Andenken an mehr oder minder prominente HernalserInnen wird hier liebevoll gepflegt. Einer von ihnen ist Fritz Mandelbaum, besser bekannt als Frederic Morton (1924–2015). Nach ihm ist nun ein Park in Hernals benannt, der vorher Pezzl-Park hieß.
Warum der eine Schriftsteller, Johann Pezzl, dem anderen weichen musste, diese Frage kann auch Trude Neuhold nicht beantworten, die sonst nahezu alles über Frederic, wie sie ihn nennt, weiß, denn die Leiterin des Bezirksmuseum war gut mit ihm bekannt und hat die kleine Dauerausstellung über ihn zusammengestellt.
„Frederic hat bei seinen Wien-Besuchen öfter unser Museum besucht, und da sind wir halt ins Plaudern gekommen. Daraus ist ein intensiverer, fast privater Kontakt entstanden. Wir haben Ausstellungen mit ihm gemacht und seine Geburtstage hier im Museum gefeiert. Er war ein ganz ein Lieber, und wir haben ihn irrsinnig gern gemocht.“

„Ewigkeitsgasse“. Sein Aufwachsen in der Hernalser Thelemangasse hat Morton in der autofiktiven Familienchronik Ewigkeitsgasse beschrieben. Sein Großvater hatte das Stammhaus von einem Mitglied der jüdischen Familie Kuffner erworben, auf die wir bei unserem Rundgang durch das Museum noch stoßen werden. Orden und Medaillen für den Kaiser stellte die Eisenwarenfabrikanten Mandelbaum unter anderem her. Und in einem der Räume der Thelemangasse 8 war bis 1938 ein jüdisch-orthodoxes Bethaus eingemietet. Heute befindet sich an dieser Adresse der „Kunstraum Ewigkeitsgasse“. Was dazwischen war, davon weiß man zumindest im Bezirksmuseum nichts.
„Die Häuser der Thelemangasse 4, 6, 8, sind teilweise noch heute in Familienbesitz. Mortons Tochter Rebekka lebt ja in New York. Ich habe Fotos gemacht, wie er zu seiner alten Wohnung gegangen ist, in der er vor dem Krieg gelebt hat, die habe ich ausgestellt. In seiner New Yorker Wohnung hat er später eine Hernalser Ecke gehabt, die man auf Fotos hier sieht“, erklärt die Leiterin des Museums.

»Er [Frederic Morton] hat immer nur positiv gesprochen, was ich bewundert habe,
denn es ist ihm doch Böses widerfahren.« 

Trude Neuhold

1939 gelang der Familie Mandelbaum die Flucht aus Wien über England nach Amerika, eine für Frau Neuhold quasi in Manner-Rosa getauchte Erinnerung. „Er hat immer nur positiv gesprochen, was ich bewundert habe, denn es ist ihm doch Böses widerfahren. Über seine Emigration hat er eine berührende Geschichte geschrieben, die er auch hier vorgelesen hat. Die Mannerschnitte spielt darin eine nostalgische Rolle. Manner ist ja eine Hernalser Firma. Frederic hat Bäcker gelernt und später Nahrungsmittelchemie studiert. Dann hat er einen intellektuellen Schub durchgemacht, wie er mir erzählt hat, und seine schriftstellerische Karriere mit dem Buch über die Rothschilds begonnen.“

Frederic Morton. Noch in seiner New Yorker Wohnung hatte er bis zuletzt eine „Hernalser Ecke“ ©STARPIX / picturedesk.com

Von Rothschild zu Herzl. Womit sich, apropos Rothschild, ein überraschender Bezug ergibt, denn vom Bezirksmuseum aus kann man fast direkt in das ehemalige Musikzimmer der Familie Rothschild blicken. Das Interieur aus dem einstigen Rothschild-Palais in der Prinz-Eugen-Straße befindet sich jetzt als „schönster Tanzschulsaal Wiens“, wie es auf deren Website heißt, im Besitz einer Tanzschule am Elterleinplatz. Immerhin erstaunlich.
„Es hat sich jemand vom Bezirk darum gekümmert, dass es erhalten bleibt, es wäre sonst vielleicht entsorgt worden“, meint Frau Neuhold etwas ausweichend, um dann vor einem großen dunklen Holzrelief auf eine andere jüdische Spur hinzuweisen.
In der Dornbacher Promenadegasse befand sich bis in die Fünfzigerjahre inmitten eines riesigen Parks die prächtige, schlossartige Villa der jüdischen Familie Kuffner, der bis 1938 die Ottakringer Brauerei gehörte. Das Relief aus Zedernholz mit den alttestamentarischen Sujets Ruth und Boas, David und Goliath aus dem Vestibül der Villa ist jetzt eines der Prunkstücke des Bezirksmuseums.
„Der alte Luster der Kuffner-Villa befindet sich in unserem Lager in Niederösterreich. Dort steht auch das Klavier des jüdischen Komponisten Edmund Eysler, weil hier kein Platz dafür ist.“
Schließlich fällt uns beim Rundgang an einem massiven, reich verzierten Holztisch noch eine kleine Tafel ins Auge: „Tisch von Theodor Herzl.“
„Den hat Professor Franz Zabusch, der ehemalige Museumsleiter, von der seinerzeitigen Haushälterin Herzls bekommen. Zabusch war ein richtiges Eichhörnchen, dem wir viele Stücke zu verdanken haben.“
Und warum hat er ihn genommen, Herzl hat doch gar nicht in Hernals gewohnt? „Damit er gut bewahrt und erhalten bleibt.“

 

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