Die israelische Wirtschaftszeitung Calcalist publiziert regelmäßig einen Überblick der interessantesten Start-up-Firmen des Landes. In ihrer Bestenliste für das Jahr 2019 fand sich an der 20. Stelle ein Unternehmen mit Namen Otorio. Es war nur ein Jahr zuvor gegründet worden, verfügte aber schon über eine Finanzierung von 50 Mio. Dollar und zählte 50 Angestellte.
Als Gründer listet Calcalist zwei Männer auf: Daniel Bren und Yair Attar, beide mit interessanten Biografien. CEO Bren ist Brigadegeneral der Reserve und war in der israelischen Armee der erste Kommandant der Abteilung für Cyber Defense. Attar leitete die so genannte Incident Response and Threat Hunting Division zur digitalen Verteidigung kritischer Militärinfrastruktur.
Sucht man heute auf der Website von Otorio die Mitglieder des Boards, so finden sich neben den beiden Gründern noch zwei Österreicher: Wolfgang Leitner, Generaldirektor und Schlüsselaktionär des international tätigen Grazer Anlagenbauers Andritz AG, sowie Klaus Glatz, der bei Andritz für die weltweite Implementierung von digitalen Prozessen verantwortlich ist. Otorio bezeichnet die Verbindung zu Andritz als strategische Partnerschaft, Andritz hat beim letzten Auftritt an der internationalen Hannover Messe von einem „in Mehrheitsbesitz befindlichen Tochterunternehmen“ gesprochen. Details will man darüber hinaus nicht publizieren.

Angreifer können auch ganz andere Hintertüren wählen, die sie direkt in die Produktionsanlagen führen und diese unterbrechen oder gar schädigen lassen.

Worum geht es bei dieser Partnerschaft? Die Andritz-Gruppe zählt als Technologiekonzern zu den größten österreichischen Industrieunternehmen. Sie erzielte 2019 mit 29.000 Mitarbeitern in 40 Ländern einen Umsatz von 6,7 Mrd. Euro und liefert schlüsselfertige Anlagen, Systeme, Ausrüstungen und Serviceleitungen für die unterschiedlichsten Industrien. Dazu gehören etwa Wasserkraftwerke, Papierfabriken, Walzwerke oder Chemieanlagen. Otorio, mittlerweile auf mehr als 70 Mitarbeiter angewachsen, hat sich auf die Cybersicherheit von produzierenden Unternehmen spezialisiert, aus den unterschiedlichsten Branchen, von Öl und Gas bis zu Pharma, von Lebensmitteln und Getränken bis zu Papier und Automobilen.

Was die beiden Partner zusammenbringt, sind die enormen Risiken, die durch mögliche Angriffe aus dem Internet für all diese Hightech-Fabriken bestehen. „Cyberattacken auf Industrieunternehmen sind mittlerweile Alltag geworden“, heißt es vonseiten des Anlagenbauers. Und dabei geht es nicht mehr bloß um Attacken auf die IT-Server. Angreifer können auch ganz andere Hintertüren wählen, die sie direkt in die Produktionsanlagen führen und diese unterbrechen oder gar schädigen lassen. Das hängt damit zusammen, dass die Unternehmen oft keine einheitliche Steuer- und Kontrollsoftware verwenden. Maschinen unterschiedlicher Generationen werden bei verschiedenen Herstellern eingekauft und dann miteinander zu komplexen Produktionsstraßen verknüpft. Und oft sind die Firmen dann auch noch mit Zulieferern oder Partnerunternehmen elektronisch verbunden, das bringt weitere Risiken.
Andritz und Otorio haben deshalb gemeinsam eine „All-in-one-Plattform“ entwickelt, die derartige Prozesse überwacht, nach dem Prinzip „Prävention geht vor Entdeckung“ und nachträgliches Reparieren. Die weitgehend automatisierten Lösungen der israelischen Spezialisten werden zunächst in Anlagen eingesetzt, die Andritz selbst liefert, aber auch für andere Industriekunden global angeboten.

Andritz und Otorio. Prävention geht vor Entdeckung und nachträgliches Reparieren. © andritz.com

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