Bayreuth und das Berliner „jüdische Mädel“

Die Mezzosopranistin Nadine Weissmann war erstmals bei den Salzburger Festspielen und gab dort den Cupido in Offenbachs Orpheus in der Unterwelt.

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Nadine Weissmannlässt ihren samtig-fülligen Mezzosopran im Haus für Mozart erklingen. © Monika Rittershaus

Ich bin Cupido! Meine Liebe hat blaugemacht! Im Morgengrauen komme ich von einer kleinen Reise nach Kythera zurück!“ Von der Insel der Liebesgöttin meldet sich Nadine Weissmann alias Cupido mit einem beschwingten Couplet aus Orpheus in der Unterwelt und lässt ihren samtig-fülligen Mezzosopran von der Bühne des Haus für Mozart erklingen. Es ist das Debüt der gebürtigen Berlinerin bei den Salzburger Festspielen unter der Regie von Barrie Kosky, der dem jüdischen Komponisten Jacques Offenbach zu dessen 200. Geburtstag eine rasant-witzige Show geschenkt hat.
Für den erfolgreichen australischen Regisseur und Nadine Weissmann ist die gemeinsame Arbeit in Salzburg keine Premiere: Als Intendant der Komischen Oper Berlin hat Kosky die Mezzosopranistin schon mehrfach an seinem Haus und für weltweite Gastspiele engagiert. Zuletzt gingen sie im Frühjahr auf Zauberflöten-Tournee nach Australien und Neuseeland. Davor hatte Weissmann kurzfristig die letzten fünf Vorstellungen als Quickly an der Opéra Bastille unter Fabio Luisi und an der Seite von Bryn Terfel als Falstaff übernommen. Zeitgleich sang sie die Zauberflöte mit der Komischen Oper als Gastspiel an der Opéra Comique in Paris.
Nadine Tamira Weissmann wurde 1974 in Berlin geboren, ihre Eltern und Großeltern stammen aus Bukarest. „Wir sind ein säkulares Haus, aber wir gehen zu den Hohen Feiertagen in die Synagoge und fahren auch ziemlich regelmäßig nach Israel. Das Judentum ist für mich mehr eine kulturell-spirituelle Identität als eine Religion. Es wird aber immer ein Teil von mir bleiben.“ Schon während ihrer Zeit an der John-F.-Kennedy-Schule konnte sie ihre Leidenschaft für Gesang in diversen Musikrichtungen als Solistin bei Konzerten und Musicals ausleben. Nach dem Abitur wurde sie an der Londoner Royal Academy of Music angenommen und machte dort 1997 ihren Bachelor of Music. Zum Aufbaustudium ging sie an die renommierte Indiana University in Bloomington und schloss dort 1999 ihren Master of Music ab. Im Laufe ihres Studiums besuchte sie zahlreiche Meisterkurse, u. a. bei Brigitte Fassbaender und Marjana Lipovšek. Als Preisträgerin des Hilde-Zadek-Gesangswettbewerbs gab es auch einen Bezug zu Wien.

Der Startschuss für Weissmanns Karriere kam mit einer Offenbarung in den USA: Ihre Lehrerin konfrontierte sie mit der Feststellung, dass sie kein Sopran, sondern ein Mezzo sei. „Endlich kam jener Klang aus mir heraus, von dem ich immer vermutet hatte, dass er in mir stecken würde.“ Von da an wusste Nadine, dass ihr die hintergründigen, leidenschaftlichen, auch finsteren Frauenrollen – zum Beispiel die Carmen – besser liegen würden. Mit der Alt-Gesangspartie in Gustav Mahlers 2. Symphonie debütierte sie z. B. in der Tonhalle Düsseldorf unter Ádám Fischer. Es folgte die Zusammenarbeit mit weiteren großen Dirigenten, u. a. Zubin Mehta, Valery Gergiev und Christian Thielemann.
Feste Engagements führten Weissmann an das Theater Osnabrück und an das Deutsche Nationaltheater Weimar, wo der Grundstein für ihre internationale Karriere als Wagner-Interpretin der neuen Generation gelegt wurde. „Ich hätte nie gedacht, dass Richard Wagner einmal so meine Laufbahn bestimmen würde. Der Ring des Nibelungen war eine der unglaublichsten Erfahrungen meines Lebens.“ 2008 sang sie hier ihren ersten kompletten Ring-Zyklus und gab ihre Rollendebüts als zweite Norn und Waltraute in der Götterdämmerung. Die Rollen der Erda in Das Rheingold und im Siegfried brachten Weissmann auch den internationalen Durchbruch: Bei den Bayreuther Festspielen im Sommer 2017 sang sie die Erda in der Castorf-Produktion bereits zum fünften Mal. In der Münchner Abendzeitung hieß es dazu: „Die umwerfende Nadine Weissmann, die uns wieder einmal in der balsamischen Wucht ihres Mezzos baden lässt.“ Die kritische FAZ: „Nadine Weissmann, mit ihrem dunkelblauen Traum-Timbre, die als Erda eine erste Ahnung spüren lässt vom Untergang aller.“ Und die Wiener Zeitung: „Nadine Weissmanns eindrucksvolle Erda gehört zu den vokalen Glücksfällen der Produktion.“
Dass sie auf dem wagnerischen Grünen Hügel fünf Mal dabei war, und zwar unter der Leitung Kirill Petrenkos, des neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, erfüllt Nadine Weissmann mit Hochstimmung: „Als jüdisches Berliner Mädel in Bayreuth zu singen, mit einem jüdischen Dirigenten, das ist doch was!“


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