Das Erbe der Mautners

Das Volkskundemuseum Wien ist als Privatmuseum nicht an gesetzliche Vorgaben zu Provenienzforschung und Restitution gebunden. Das Haus bemüht hier sich dennoch um einen korrekten Umgang. Nun hat das Museum das Thema auch in eine Ausstellung gegossen. Gesammelt um jeden Preis! nennt sich die Schau, die bis 26. November zu sehen ist. Untertitel: Warum Objekte durch den Nationalsozialismus ins Museum kamen und wie wir damit umgehen.

1993
Retuschiertes Glas- negativ von Konrad Mautner aus der Familiensammlung (vor 1924). © Kollektiv Fischka / Kramar ; Volkskundemuseum Wien

Den Kern der Ausstellung bilden rund 500 Objekte der Sammlung Mautner. Befasst man sich mit österreichischer Volkskunde kommt einem dieser Name immer wieder unter. Im Lauf des vergangenen Jahres berichtete WINA zum Beispiel über das Kammerhofmuseum in Bad Aussee (dort steht man dem Thema Restitution sehr zurückhaltend gegenüber), aber auch über die Neuaufstellung des Trachtensaals im Volkskundemuseum Graz (hier bemüht man sich, wie auch im Volkskundemuseum Wien, um eine zeitgemäße Einordnung des Themenkomplexes).

Anna und Konrad Mautner sammelten Trachten, Stoffe, Accessoires wie Pfeifen und Tabakdosen, aber auch alpenländische Interieurversatzstücke wie Geweihe, Landschaftsdarstellungen, Krippenfiguren, sie dokumentierten Liedgut, sie versuchten, Handwerk zu bewahren – Anna etwa interpretierte den Stoffdruck auf Basis traditioneller Modeln neu. Ihr Schwerpunkt lag, nicht zuletzt auf Grund eines Sommerwohnsitzes in Grundlsee, auf dem Salzkammergut. Die Mautners sammelten, wie es Magdalena Puchberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Volkskundemuseums, bei der Präsentation der neuen Ausstellung formulierte, jedoch grundsätzlich „das Österreichische“.

Schon die Eltern Konrad Mautners, der Textilgroßindustrielle Isidor Mautner und seine Frau Jenny, hatten sich hier engagiert. Wie Kathrin Pallestrang, Kuratorin der Textil- und Bekleidungssammlung des Museums, erzählte, gehörten sie zu den Geldgebern des 1895 gegründeten Hauses, das seit 1917 am heutigen Standort im barocken Palais Schönborn in der Josefstadt beheimatet ist.

Einige Stücke, die heute Teil der Sammlungen des Volkskundemuseum Wiens sind, wurden dem Haus schon lange vor 1938 von der Familie geschenkt. Das Gros der heutigen Bestände aus der Sammlung Mautner ging allerdings im Nationalsozialismus an das Museum. Die Nazis hatten die Sammlung beschlagnahmt, die damalige Leitung des Museums bemühte sich sofort, möglichst viel aus der Sammlung zu erhalten. Andere Teile der Sammlungstätigkeit der Familie sind bis heute eben beispielsweise im Kammerhofmuseum zu sehen.

Anders als in dem Bad Ausseer Museum hat sich das Volkskundemuseum Wien seiner historischen Verantwortung allerdings rundum gestellt. Obwohl es für Privatmuseen – das Haus ist bis heute ein Vereinsmuseum – keine gesetzlichen Vorgaben gibt (diese gibt es für Bundesmuseen durch das 1998 verabschiedete Kunstrückgabegesetz sowie für Landesmuseen durch jeweilige Landesgesetze), wird hier seit 2015 Provenienzforschung betrieben.

„Die Objekte erhalten ihren  ‚Wert‘ über die Geschichten,
die sie erzählen. Auch wenn sie zurückgegeben werden.“
Mitarbeiter:in des Museums

„Das Team des Volkskundemuseums Wien wollte nicht länger vom Unrecht profitieren: Wir wollten keine Objekte mehr in unseren Sammlungen haben, die dort nicht hingehören, weil sie ihren ursprünglichen Eigentümern und Eigentümerinnen abgepresst, geraubt oder abgenommen worden waren“, ist in der Ausstellung nun zu lesen. „Von nun an sollten diese Objekte nicht länger unkommentiert Publikationen und Ausstellungen bereichern, sondern endlich restituiert werden. Aufgrund von Verfolgung oder Ermordung und aufgrund der langen Zeit, die vergangen war, sind viele der Eigentümer und Eigentümerinnen nicht mehr am Leben. Das ändert nichts daran, dass die entzogenen Dinge ihnen gehörten, dass also ihre Erben und Erbinnen nun die eigentlichen Eigentümer sind.“

Ausstellungsansicht von Gesammelt um jeden Preis. © Kollektiv Fischka / Kramar ; Volkskundemuseum Wien

Vorbildlicher Umgang. So zeigt die aktuelle Schau nun auch Objekte, deren frühere Besitzer zwar ermittelt, aber deren Nachkommen bisher nicht ausgeforscht werden konnten, so die Provenienzforscherin Maria Raid. Dazu gehört beispielsweise ein Trachtenensemble aus dem 19. Jahrhundert aus Shkodra aus dem heutigen Albanien. Mit an die 500 Objekten der größte Bestand an enteigneten Objekten (insgesamt wurden im Museum rund 600 betroffene Gegenstände oder Dokumente ausgeforscht) gehört aber eben zur Sammlung Mautner. Hier konnten die Nachkommen ermittelt werden – und Stephen Mautner, Sprecher der Erbengemeinschaft nach Anna Mautner (1879–1961, anders als ihr Mann Konrad, der bereits 1924 verstarb, erlebte sie die Machtübernahme durch die Nazis, konnte aber fliehen), der heute in den USA lebt, reiste zur Ausstellungseröffnung auch nach Wien an.

Er bezeichnete die Vorgangsweise des Museums als „vorbildlich“. Alle Dossiers zu Objekten mit zweifelhafter Provenienz wurden von dem Museum in den vergangenen Jahren dem Kunstrückgabebeirat zur Prüfung übergeben und dann entsprechend der daraufhin erfolgten Empfehlung gehandelt, also restituiert. Entsprechend wurden auch die zur Sammlung Mautner gehörenden Exponate zurückgegeben. Die Erbengemeinschaft beschloss allerdings, die Objekte und Dokumente nun mittels Schenkung dauerhaft im Volkskundemuseum Wien zu belassen. Schon die Urgroßeltern seien eng mit dem Haus verbunden gewesen, es wäre zudem im Sinn der Großeltern gewesen, dass die Sammlung nicht weiter auseinandergerissen würde, etwa durch den Verkauf der einzelnen Exponate über ein Auktionshaus, so Stephen Mautner.

Er führte zudem vor, wie auch im Negativen das Positive gesehen werden kann: Die Familie sei durch die Kontaktaufnahme durch das Museum überrascht gewesen. Die Auseinandersetzung mit der Sammlung der Großeltern habe ihn und seine Cousins in der Folge zurück in die Familiengeschichte und damit einander näher gebracht, so Stephen Mautner. Angesprochen auf den völlig anderen Umgang mit dem Thema seitens des Kammerhofmuseums, bestätigte er, dass es hier keine Bestrebungen für eine allfällige Rückerstattung von Exponaten aus der Sammlung seiner Großeltern gebe. Er machte aber auch klar: Man werde hier keine juristischen Schritte setzen. Schon Anna Mautner habe keinen Antrag auf Rückstellung der Sammlung gestellt. „Sie hat sich wohl auf einen Kampf konzentriert“, so der Enkel. Diesen hat sie schließlich gewonnen: Die Villa in Grundlsee wurde restituiert. Was aber sind die rechtlichen Rahmenbedingungen solch einer Restitution? Das zeichnet die Ausstellung im Volkskundemuseum nun genau nach. Welche gesetzlichen Grundlagen gibt es? Für Gemeindemuseen wie das Kammerhofmuseum gibt es beispielsweise – wie für Privatmuseen – bis heute keine Verpflichtung, aktiv zu werden. Es gibt aber auch kein Verbot, sich hier zu engagieren, wie das Volkskundemuseum Wien nun eindrücklich aufzeigt.

Das führte übrigens auch zu einem anderen Bewusstsein beim Team des Museums. Am Ende der Ausstellung werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zitiert, die erzählen, wie die Aufarbeitung der Bestände sie verändert hat. „Ich denke, dass wir auch über andere Unrechts- und Gewaltzusammenhänge nachdenken müssen: etwa an die Sammelreisen in die entlegenen Gebiete der Donaumonarchie oder die Sammlungen, die während des Ersten Weltkriegs angelegt wurden“, ist da zu lesen. Und: „Die Objekte erhalten ihren ‚Wert‘ über die Geschichten, die sie erzählen. Auch wenn sie zurückgegeben werden und nicht mehr in unseren Sammlungen sind. Wenn ein Objekt restituiert wird, haben wir dadurch eine Geschichte bekommen.“ Und jemand anderer hält fest: „Ich bin bei aktuellen Objektaufnahmen jetzt viel misstrauischer geworden.“

volkskundemuseum.at

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