Ein Weltbürger von der Linken Wienzeile

Dem österreichischen Surrealisten Wolfgang Paalen (1905–1959), der in Paris, New York und Mexiko reüssierte, widmet das Untere Belvedere eine umfassende Ausstellung.

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Wolfgang Paalen beeinflusste eine ganze Generation europäischer und US-amerikanischer Künstlerinnen und Künstler. © Walter reuter, Privatarchiv Andreas NeufertHely Reuter, Mexico; Privatsammlung/courtesy of Malingue S. A.

Wolfgang Paalen war ein Weltbürger mit österreichischen Wurzeln. Sein Interesse an anderen Kulturen und seine Fähigkeit, sich und die Kunst immer wieder infrage zu stellen, beeinflussten eine ganze Generation europäischer und US-amerikanischer Künstlerinnen und Künstler nachhaltig“, so Stella Rollig, Direktorin des Belvedere, zur ersten längst überfälligen und umfassenden Einzelausstellung des weit gereisten Vordenkers, Schriftstellers und bedeutenden Impulsgebers aus Wien, der sich darüber hinaus als Schlüsselfigur in der Kunst des 20. Jahrhunderts etablierte.

© Walter reuter, Privatarchiv Andreas NeufertHely Reuter, Mexico; Privatsammlung/courtesy of Malingue S. A.

Im Unteren Belvedere ist die beeindruckende und umfangreiche Ausstellung bis 19. Januar 2020 mit Leihgaben aus der ganzen Welt zu sehen. „Paalens Œuvre ist vielschichtig und anspruchsvoll und in Europas Museen kaum präsent. Daher freuen wir uns über das große Vertrauen von namhaften Institutionen und privaten Sammlern, die uns diese einmalige Präsentation ermöglichen“, erklärt Rollig.
Wolfgang Paalen wurde 1905 als erster von vier Söhnen des österreichisch-jüdischen Großkaufmanns und Erfinders Gustav Robert Paalen und seiner deutschen Frau, der Schauspielerin Clothilde Emilie Gunkel, in Wien geboren. Sein Geburtshaus ist eines der berühmten Wienzeilenhäuser von Otto Wagner an der Linken Wienzeile Nr. 38/Köstlergasse 1. Sein Vater hatte polnische Aschkenasim und spanische Sepharden als Vorfahren, konvertierte 1900 zum Protestantismus und änderte gleichzeitig seinen ursprünglichen Namen Pollak in Paalen. Durch spektakuläre Erfindungen wie den Staubsauger, die Thermoskanne und den ersten Durchlauferhitzer für Junkers baute er ein beträchtliches Vermögen auf.
Als Wolfgang Paalen vier Jahre alt war, verließ seine Familie bereits Wien. Ab dann führte sein Lebensweg zu vielen Stationen wie Schlesien, Berlin, Paris, Mexiko und diversen Städten in den USA. Paalens künstlerische Sozialisierung fand zunächst in Berlin und München und danach in Paris und Südfrankreich statt; kurze Zeit studierte er auch bei Fernand Léger. 1935 wurde der damals Dreißigjährige von André Breton in die Gruppe der Pariser Surrealisten aufgenommen. Sein originärer Beitrag zu dieser Kunstrichtung waren insbesondere die so genannten Fumage-Bilder: Mittels Kerzenrauch malte er auf die leere Leinwand, Holz oder Papier halluzinatorische Motive, die er teils mit Ölfarbe assoziativ fortsetzte, teils auch für sich stehen ließ.
1938 konzipierte er gemeinsam mit Marcel Duchamp, Man Ray und Salvador Dalí die bahnbrechende Exposition internationale du Surréalisme in der Pariser Galerie des Beaux-Arts und war für deren spektakuläre Gestaltung mitverantwortlich. Ein Jahr später übersiedelte er auf Einladung Frida Kahlos nach Mexiko. Eine Ausstellung seiner großen Fumagen in New York machte ihn 1940 schlagartig bekannt. Gleichzeitig sammelte er leidenschaftlich Kunstwerke der indigenen Völker Amerikas und etab­lierte sich auch als Autorität in der Anthropologie.
Paalens Privatleben war gekennzeichnet von familiären Tragödien, die seine Depressionen noch verstärkten. Der Vater verlor sein Vermögen, und zwei seiner Brüder begingen Selbstmord. Er war dreimal verheiratet und hatte eine lebenslange Freundin und künstlerische Muse. Trotz seiner zunehmenden Verwurzelung in Mexiko hielt Paalen stets Kontakt zur US-amerikanischen Kunstszene. Insbesondere beeinflusste er als Kunsttheoretiker den gerade im Entstehen begriffenen abstrakten Expressionismus. In der von ihm von 1942 bis 1944 herausgegebenen Kunstzeitschrift DYN behandelte er Themen, die in Künstlerkreisen heftig diskutiert wurden. 1959 nahm sich Wolfgang Paalen das Leben.
Dennoch war er in den letzten beiden Jahre äußerst produktiv, es gelangen ihm einige seiner besten Bilder der letzten Werkperiode.

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