Richter und Narr: Vladimir Jabotinskys bemerkenswerte, aufschlussreiche historische Allegorie ist in hervorragender Übersetzung neu erschienen. Von Alexander Kluy
Groß war das Echo, als im Winter 2012 Vladimir Jabotinskys Familien-Roman Die Fünf erstmals auf Deutsch erschien, mehr als 75 Jahre nach der Erstveröffentlichung. War doch dieses Buch auch ein Odessa-Buch, ein Epos der multilingualen, von Juden geprägten Stadt am Schwarzen Meer. Zugleich war der 1936 in Paris erschienene Band auch eine einfühlsame, ergreifende und fragile Elegie im letzten Glanz des Zarenreichs. Und ungewöhnlich für den 1880 geborenen Journalisten Vladimir Jabotinsky, dessen mittleren Namen „Ze’ev“ der Verlag unterschlug.
War er doch einer der kämpferischsten und zugleich umstrittensten, weil radikalsten Zionisten. 1925 wandte er sich mit seinen Gefolgsleuten von den allgemeinen Zionisten ab und drang auf eine grundlegende ideologische Revision des Zionismus, er wollte zurück zu Theodor Herzl, als deren eigentliche und legitime Erben er seine Union der zionistischen Revolutionäre ansah. Deren Jugendorganisation Irgun wurde nach Jabotinskys Tod im Sommer 1940 in der Nähe von New York in einem Sommercamp von Betar, er erlag dort einem Herzinfarkt, radikal. Angeführt von Menachem Begin, Jabotinskys Mit- und Zuarbeiter und später israelischer Ministerpräsident, führte sie die Revolte an gegen die Briten, bis 1948 die Mandatsmacht in Palästina. Ihr Ziel: ein eigener jüdischer Staat. Aus der Irgun wurde nach der Gründung Israels die Herut, die Keimzelle des Likud. Die sterblichen Überreste Jabotinskys, der früh schon die elementare Gefahr erkannt und diagnostiziert hatte, die vom Antisemitismus der Nationalsozialisten ausging – für ihn lautete daher die Schlussfolgerung: nicht nur ein eigener Staat der Juden, sondern auch Schluss mit der Assimilation –, wurden Jahre später in einem Ehrengrab auf dem Herzlberg beigesetzt. Und heute tragen in Tel Aviv gleich zwei Hauptstraßen seinen Namen (und 37 weitere Plätze, Boulevards und Avenuen in Israel, fünf mehr als Herzl und acht mehr als Chaim Weizmann und Haim Bialik).
Seit 1923 war der so energische wie hyperaktive Jabotinsky – 1996 benötigte Shmuel Katz 1855 Druckseiten, um Jabotinskys 60 Lebensjahre nachzuerzählen! – Chefredakteur des einmal wöchentlich erscheinenden Periodikums Rassvet, das erst in Berlin, dann in Paris herauskam. Und er schrieb Romane. So 1927 Samson Nazorei, der kurioserweise Ende der 1920er-Jahre auf Deutsch in gleich drei unterschiedlichen Ausgaben erschien. Doch erst jetzt liegt die beste Übersetzung dieses keineswegs biografischen Romans vor.