Jewish Matchmaking

Die Serie Jewish Matchmaking war bereits eine Woche nach ihrem Debüt auf der Netflix-Liste der Top 10 und hat anscheinend einen Nerv der Zeit getroffen. Wie funktioniert also diese „Jüdische Heiratsvermittlung“, und warum ist sie wieder so „in“?

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Matchmakerin und Coachin Aleeza Ben Shalom im Gespräch mit einer ihrer Klientinnen. ©Netflix / Everett Collection / picturedesk.com

Jeder von uns hat einen Soulmate“, eine verwandte Seele, jemanden, der einem zugeteilt ist, lautet eines der ersten Statements der spritzigen Heiratsvermittlerin Aleeza Ben Shalom in der im Mai herausgekommenen achtteiligen Serie. Klingt gut, aber daran, diese Person erst einmal zu finden, muss man oft hart arbeiten. „Du musst eine gewisse Anstrengung unternehmen, damit es ein Soulmate wird“, gibt die erfahrene Schadchanit, so die jiddische Bezeichnung für eine Ehevermittlerin, dann auch zu. Ihre Aufgabe ist es, diesen Prozess des Findens und Erkennens eines Lebenspartners zu unterstützen und dem Paar bei eventuellen Stolpersteinen mit ihrer Erfahrung zur Seite zu stehen.

Matchmaking ist im Judentum eine alte Tradition und die Stiftung einer Ehe eine Mitzwa, eine gute Tat. Bei den strengreligiösen Juden trifft man sich nicht einfach in einem Café oder auf der Straße, und auch in Schulen und auf Arbeitsplätzen, ja, sogar auf jüdischen Festen sind die Geschlechter streng getrennt. Es ist also oft gar nicht möglich, einen Ehepartner ohne die Hilfe einer Vermittlung zu finden. Im Stettl, wie etwa im Städtchen Anatevka, war Schadchen beinahe ein eigener Beruf. Und jeder, der das gleichnamige Musical gesehen hat, erinnert sich daran, wie aufgeregt die Töchter von Tewje dem Milchmann auf die Heiratsvermittlerin warten. Doch was hat das mit dem Leben der säkularen Juden und Jüdinnen aus der Reality-Show zu tun?

 

„Du musst eine gewisse Anstrengung unternehmen,
damit eine Person ein Soulmate wird.“
Aleeza

 

Der aus Baden bei Wien stammende Noah Del Monte (24), der nach seinem Studium in Rom gegenwärtig in Tel Aviv lebt, gibt zu, zuvor nur durch Anatevka von der Existenz von Matchmakern gewusst zu haben. Er erklärt seine Teilnahme an der Show mit der Frustration über Social Media und Dating Apps: „Man lernt ja kaum noch jemanden einfach so kennen. Und auf Instagram und in den Apps sitzt man dann stundenlang da und macht „Copy-Paste“ von Messages an die potenziellen Partner. Das hat etwas total Technisches. Und es gibt so viele Fotos, so viele Angebote, da könnte es dann immer noch sein, dass man noch etwas Besseres verpasst. Aber das ist eigentlich schon sehr oberflächlich und beinahe wie eine Sucht.“

Noah, einer der Protagonisten der Reality-Show, und ein Paar im Werden beim Turteln (unten): Jewish Matchmaking (2023, Staffel 1 auf Netflix) ist ein internationaler Serien-Hit. Die Gründe dafür liegen auf der Hand … ©Netflix / Everett Collection / picturedesk.com

Cindy, die attraktive und selbstsichere Französin aus Jerusalem, beschreibt den Dating-Prozess so: „Sagen wir, du findest 100 passende Kandidaten in den Apps, dann sind nur etwa 50 noch wirklich frei, davon antworten dir 30, aber nur zehn werden tatsächlich anrufen, nur fünf werden bereit sein, dich zu treffen, nur zwei werden tatsächlich kommen, und zum Schluss bleiben null übrig.“ Sie bekam von der erfahrenen Heiratsberaterin den Rat, vorerst ihre langjährige Beziehung, die vor Kurzem in die Brüche ging, zu verarbeiten. Und auch Noah nahm sich die Tipps von Aleeza, die auch in Coaching ausgebildet ist, zu Herzen, so etwa das Prinzip, dass man einem Menschen Zeit geben muss, um ihn kennenzulernen: „Date them till you hate them“ oder, etwas weniger extrem formuliert: „When in doubt, go out!“ („Wenn du Zweifel hast, steig aus“), lauten die Anweisung von Postillon d’Amour Aleeza. Wie lange dann bei gegenseitigem Interesse diese Phase des Kennenlernens dauern soll, hängt von der Religiosität und den Vorstellungen des Paares ab. Während in streng religiösen Kreisen nur ein einmaliges Zusammensein oder einige wenige Treffen genügen müssen, darf das Kennenlernen bei etwas offeneren Familien auch Monate lang dauern.

©Netflix / Everett Collection / picturedesk.com

„Man heiratet in eine Familie“, lautet eines der weiteren Statements der Schadchanit. Die Familie hat im Judentum einen sehr hohen Stellenwert und in den wirklich frommen Familien wird der „Schiduch“ zuerst an die Eltern herangetragen. Diese vertiefen sich dann in intensive Recherchen über den jungen Mann oder die junge Frau und deren Background, und erst, wenn sie ihr OK gegeben haben, dürfen sich die jungen Leute treffen. Dabei tritt dann eine weiter Verhaltensmaßnahme in Kraft, die die Matchmakerin auch den säkularen Singles empfiehlt: „Don’t touch – nicht berühren!“ Gar nicht so einfach in der modernen Dating-Welt, vor allem für Harmonie, eine der Protagonistinnen aus LA, die sofort beim ersten Treffen alle Regeln bricht.

 

„Sie kennt und akzeptiert beide Welten […]
und sieht das Positive in allen.“

Noah über Matchmaker Aleeza

 

In der Show tritt Aleeza bei jeder „Neuaufnahme“ mit ihrem berühmten schwarzen Buch auf, in das sie die Wünsche, Fantasien und Interessen des potenziellen Heiratskandidaten einträgt. Wichtig ist für die rührige Vermittlerin, die selbst erst mit 25 religiös wurde, auch immer die Frage, welche Art von Judentum er oder sie praktiziert – strengreligiös, fromm, traditionell oder eine persönliche Kombination. In Aleezas Terminologie sind die meisten Teilnehmer „Flexidox“, praktizieren also eine individuelle, flexible Art der Religion. Dabei scheint es allen wichtig zu sein, jemanden zu finden, mit dem sie das Judentum weitertragen können.

Noah erinnert sich, dass dieses erste Interview mit der „guten Fee“ der Serie in Realität etwa 1 ½ Stunden gedauert hat, und beschreibt sie als „sehr offen, erfahren und ohne Vorurteile“: „Sie kennt und akzeptiert beide Welten (die religiöse und die nicht religiöse) und sieht das Positive in allen Menschen.“ Von Dating/Apps will er inzwischen nichts mehr hören und scheint überhaupt gerade nicht frei zu sein. Ob das wegen der schönen Tav ist, die ihm nach zwei nicht so erfolgreichen Blind-Dates vorgestellt wurde, darf er nicht verraten, doch er versichert, dass er, falls jemals wieder nötig, auf jeden Fall wieder die Hilfe der erfahrenen Vermittlerin einholen würde.

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