Kampf gegen Antisemitismus wird intensiviert

Das Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen setzt dabei an verschiedenen Hebeln an: Im Visier ist sowohl Antisemitismus von rechts wie auch von islamistischer Seite. Das Kultusamt ist nun im neuen Integrationsressort angesiedelt. Eine Zusammenschau des Arbeitsübereinkommens von Türkis und Grün.

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Handshake gegen den Antisemitismus: Sebastian Kurz und Werner Kogler. © Georges Schneider/picturedesk.com

Die neue türkis-grüne Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler hat sich auf verschiedenen Ebenen dem Kampf gegen Antisemitismus verschrieben und stellt sich dabei, wie es im Koalitionsprogramm formuliert wird, „an die Spitze des Kampfes gegen Antisemitismus“. Dabei soll ein ganzes Maßnahmenbündel „gegen Extremismus und Terrorismus“ geschnürt werden. Aber auch außenpolitisch will sich Österreich vor allem auf europäischer Ebene „gegen Antisemitismus und Antizionismus“ einsetzen.
Angeführt wird dabei „die konsequente Umsetzung der 2018 angenommenen Ratserklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus in Europa“. Österreich habe, wird festgehalten, „eine besondere historische Verantwortung und aktuelle Verbindung zum Staat Israel. Wir bekennen uns zum Staat Israel als jüdischem und demokratischem Staat sowie zu dessen Sicherheit. Das Existenzrecht Israels darf nicht in Frage gestellt werden.“ Österreich werde daher Initiativen und Resolutionen in internationalen Organisationen nicht unterstützen, die dem Bekenntnis Österreichs zu Israel zuwiderlaufen.

Auch außenpolitisch will sich Österreich vor allem auf europäischer Ebene „gegen Antisemitismus und Antizionismus“ einsetzen.

In Sachen Nahostpolitik kündigt die neue Regierung an, sich „für nachhaltige Friedenslösungen im Nahen Osten“ einzusetzen, „im Falle des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung“. Der Staat Israel solle in anerkannten und dauerhaft sicheren Grenzen in Frieden neben einem unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staat leben können. Österreich werde zudem wie bisher zivilgesellschaftliche israelisch-palästinensische Friedensinitiativen unterstützen „und auch seinen Einsatz für den Aufbau demokratischer palästinensischer Institutionen und nachhaltiger Kommunal- und Sozialeinrichtungen fortsetzen“.
National will die Regierung den Kampf gegen Antisemitismus auf den verschiedensten Ebenen angehen. Geplant ist die Erstellung eines „Aktionsplans gegen Rechtsextremismus und gegen den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)“ sowie eines „Aktionsplans gegen Rassismus und Diskriminierung“.
An konkreten Maßnahmen gegen Antisemitismus von rechter Seite nennt das Regierungsprogramm dabei zum Beispiel die Verankerung einer Forschungsstelle Rechtsextremismus und Antisemitismus im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), die auch wieder einen jährlichen Rechtsextremismusbericht erstellen soll. Künftig sollen auch rechtsextreme Burschenschaften wieder beobachtet und deren Aktivitäten entsprechend eingeschätzt werden. Eingerichtet werden soll eine mobile Kompetenzstelle gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt. Eine Informations- und Aufklärungskampagne gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit soll Bewusstsein schaffen. Eine Internetplattform soll über Rechtsextremismus informieren. Distanzierungsarbeit und Ausstiegsmöglichkeiten vor allem nach dem Strafvollzug sollen zur Deradikalisierung beitragen.
Ins Visier nimmt die Regierung aber auch verstärkt mögliche Bedrohungen von islamistischer Seite. Vorgesehen ist die „Schaffung einer unabhängigen staatlich legitimierten Dokumentationsstelle zur wissenschaftlichen Erforschung, Dokumentation und Aufbereitung von Informationen über den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) sowie zur besseren Koordination der Präventions- und Aufklärungsarbeit (nach Vorbild des DÖW)“.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll neu aufgestellt werden – als eines der Ziele wird die „Wiederherstellung des Vertrauens seitens der Bevölkerung und von Partnerdiensten“ angeführt. Schwerpunkte der Arbeit des BVT sollen künftig „rechtsextremer und politisch religiös motivierter Extremismus“ sein.
Stärker ahnden will die Regierung zudem „Gewalt und Hass im Netz“. Eingeführt werden soll dabei etwa eine Ermittlungspflicht der Strafverfolgungsbehörden. Opfer sollen stärker als bisher unterstützt werden – dazu sollen rechtliche Instrumente entwickelt werden, damit sich Betroffene effektiver als bisher gegen Hass im Netz zur Wehr setzen können. Geprüft werden soll außerdem, wie Betroffene Sperren gegen Accounts beantragen können, wenn rechtswidrige Äußerungen festgestellt wurden.

In Sachen Erinnerungskultur wollen Türkis und Grün eine Gedenkstrategie entwickeln „mit dem Ziel, die unterschiedlichen Rechtsträger der österreichischen Gedenkstätten, Sammlungen und Museen zusammenzuführen unter dem Dach des Parlaments die dauerhafte Finanzierung sicherzustellen“. Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen soll weiterentwickelt werden und dabei auch die Gedenkstätte Gusen angekauft werden. Für Jugendliche soll es Erinnerungsangebote inner- und außerhalb der Schulen geben.
Der Gedenkdienst (im Rahmen des Zivildienstes) soll aufgewertet werden, die Trägerorganisationen will die türkis-grüne Koalition stärken.
Umgesetzt werden soll auch die Namensmauer für Opfer der Schoah – und alle Schüler und Schülerinnen sollen zumindest einmal in ihrer Schulzeit die KZ-Gedenkstätte Mauthausen besuchen können.
Ausbauen möchte die Regierung die Provenienzforschung. Konkret heißt es dazu: „Provenienzforschung und Kunstrückgabe sind ein weltweites Erfolgsmodell und sollen jedenfalls aufgrund des Kunstrückgabegesetzes auch in der Stiftung Leopold weitergeführt werden. Die Provenienzforschung sollte jedenfalls auch bei Dauerleihgaben stattfinden.“

Neu ist, dass das Kulturamt in den Zuständigkeitsbereich der Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab fällt. Insgesamt fällt im Regierungsprogramm die starke Verknüpfung von Religion und Integration auf, Beispiel Religionsunterricht: Dieser soll „integrationsfördernd“ gestaltet sein. „In diesem Sinn soll sich der Religionsunterricht an pädagogischer Qualität und staatsbürgerlicher Erziehung orientieren, unter anderem durch den stärkeren Austausch der Schulaufsicht mit der Fachaufsicht.“ Bücher und Materialien des Religionsunterrichts sollen auch in Hinblick auf verfassungsrechtliche Werte wie der Gleichstellung der Frau geprüft werden – „Ziel unseres Bildungssystems ist die Heranbildung freier, gebildeter, aufgeklärter Menschen“. Verstärkte Kontrollen soll es dabei auch in Kindergärten und Privatschulen geben.
Mehrmals wird dabei angeführt, dass „insbesondere islamische“ Einrichtungen oder der „islamische Religionsunterricht“ gemeint sei. Andere Religionsgemeinschaften sind allerdings hier nicht ausdrücklich ausgenommen – insgesamt wird angeführt, dass es „klare Qualitätsstandards“ für alle, auch private Bildungseinrichtungen geben müsse und es neue Errichtungsverfahren für Privatschulen geben werde. Nur den Islam betrifft das Kopftuchverbot für Schülerinnen bis zum Alter von 14 Jahren.
Einsetzen will sich die Regierung aber auch gegen die Bildung von Parallelgesellschaften. Die neue Dokumentationsstelle für religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) soll einen jährlichen Bericht zur Entstehung von Parallelgesellschaften beziehungsweise „segregierten Milieus“ in Österreich erstellen.

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