Spiel mit dem Feuer

Tal Silberstein ist sicher kein Sinnbild für Fairness. Die Tatsache jedoch, dass er zum Synonym für alles Böse im Wahlkampf wurde, birgt ein brenzliges Spiel mit Ressentiments, das beendet gehört.

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Doron Rabinovici / © APA Picturedesk/ Marko Lipus

Kaum irgendwer ist noch dafür, wenn ein Mensch als dreckiger Jude bezeichnet wird. Was aber, wenn einer, der Israeli ist und zugleich dreckig umherläuft, ein dreckiger Israeli genannt wird? Ist das dann zulässig? Nein, denn das ist – zumal hierzulande – eben nie eine reine Tatsachenfeststellung. Wer heutzutage antisemitische Ressentiments bedienen möchte, weist zuallererst den Judenhass weit von sich, um dann etwa ganz scheinheilig zu fragen, ob ein jüdischer Gauner denn gar nicht mehr als solcher benannt werden dürfe.
Tal Silberstein ist sicher nicht jedermanns Sinnbild für Fairness. Er ist dafür bekannt, ein Meister schmutziger Kampagnen zu sein. Er und sein Team, insbesondere Peter Puller als der eigentliche Administrator, veröffentlichten über anonyme Facebook-Seiten und unter falscher Urheberschaft rassistische, ja sogar einzelne antisemitische Posts und Videos, um Sebastian Kurz zu schaden.

Er ähnelt dabei einem galanten Tankwart, der mit der Linken am Zapfhahn lautstark strengere Brandschutzbestimmungen einfordert und sich derweil mit der öligen Rechten eine Zigarette anzündet.

Nicht Puller, nicht Pöchhacker, nicht Petzner – oder wie die österreichischen Kapazunder des Dirty Campagning alle heißen mögen – nein, nur Silberstein wurde zum Synonym für alles Böse. Peter Pilz erklärte vor der Wahl 2017, es bräuchte besondere Strafbestimmungen, wenn „wir Österreich Silberstein-frei machen wollen“.
Sebastian Kurz verkündete damals in einer Parteiveranstaltung, der kommende Urnengang sei nicht nur eine Nationalratswahl, sondern „eine Volksabstimmung darüber, […] ob wir die Silbersteins und andere wollen“. Ja, ja, die Silbersteins … im Plural und pauschal! Kurz wurde daraufhin erklärt, wie gefährlich es ist, mit jüdischen Namen so zu operieren. Er ließ davon dennoch nicht ab.
Ähnlich wie Heinz-Christian Strache stieß Kurz die vage Verdächtigung aus, Silberstein stünde hinter dem Video von Ibiza. Irgendwelche Beweise habe er keine, sagte Kurz dazu, doch die brauchte er nicht, um Silberstein zu nennen. Auch der türkise Generalsekretär Karl Nehammer begann angesichts der Schredderaffäre unvermittelt von Silberstein und seinen Methoden zu raunen.
Die SPÖ setzte vor Gericht eine einstweilige Verfügung durch: Der Kanzler musste seine Verschwörungstheorie über die SPÖ und Silberstein als Drahtzieher von Ibiza unterlassen. Worauf er in der Wahldebatte mit Beate Meindl-Reisinger wieder – ohne jeglichen Bezug zur Aktualität – mit seinem Silberstein auffuhr: Wieso denn dessen Einsatz für die Neos im Wiener Wahlkampf 2015 nichts gekostet habe, fragte Kurz, denn Silberstein, ein Israeli, nehme doch sonst von allen so gerne Geld. Das erinnert an die gängigen Klischees vom gierigen Juden.
Hier geht es gar nicht darum, bei Kurz persönlich antisemitische Ressentiments zu diagnostizieren. Selbstverständlich spricht er sich gegen Antisemitismus aus – insbesondere gegen jenen von Muslimen. Er verurteilt die Hetze gegen Israel. Er lud zu entsprechenden Konferenzen ein und wurde dort dafür ausgezeichnet. Zugleich zieht er immer wieder und trotz Kritik von berufener Seite so gerne seinen Silberstein hervor. Er ähnelt dabei einem galanten Tankwart, der mit der Linken am Zapfhahn lautstark strengere Brandschutzbestimmungen einfordert und sich derweil mit der öligen Rechten eine Zigarette anzündet. Es ist an der Zeit, dieses verkappte, brenzlige Spiel ein für alle Mal zu beenden.

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