Friedrich Herzog ist keiner, den der Pensionsantritt in depressive Stimmung versetzen wird. Und keiner, der nichts mit sich anzufangen weiß, wenn er nicht jeden Tag den Gang zu seinem Arbeitsplatz antritt. Diesen Eindruck vermittelt er jedenfalls, wenn er über den Bauernhof im Weinviertel erzählt, den er ab dem kommenden Jahr mit seiner zweiten Frau „ein bisschen umbauen“ will, oder über das Garteln und das Schreiben. Schon in der Vergangenheit veröffentlichte Herzog Prosa und Lyrik, nun erscheint ein Limerick-Band mit Impressionen aus dem Weinviertel. Von Aderklaa bis Zlabern kommt in der Edition Weinviertel heraus, die Illustrationen in Form von Collagen gestaltete Herzogs Frau, die Künstlerin Gabriela Waberer.
„Limericks sind ein bisschen aus der Mode gekommen“, sinniert Herzog. Früher, also bis in die 1970er-Jahre, habe selbst der Stern Limericks gebracht. Er möge die Form aber, und man könne ja auch sagen, Limericks seien „retro“. Und gerade retro sei doch heute in Mode. Oder: Alles hat seine Berechtigung. In seiner eigenen Vergangenheit hat sich Herzog auch in der Lyrik ausprobiert, ein schwieriges Terrain, wie er heute bilanziert, denn in der modernen Lyrik sei der Reim so ganz aus der Mode. Aktuell fühlt er sich allerdings in der Form der Kurzgeschichten zu Hause, genauer: Er schreibt skurrile, absurde Kurzgeschichten. Vorerst finden sich diese – bis auf eine Veröffentlichung in einer Anthologie – nur auf seiner Festplatte, ob sich noch mehr Publikationen ergeben, das werde man sehen.
„Ich kam als Controller, wurde aber als Kontrollor verstanden“, erzählt
Friedrich Herzog.
Ein Missverständnis, das sich über die Jahre selbst bereinigte.
Was Herzog in seiner Freizeit ebenso Spaß macht, ist, das zu verarbeiten, was der Garten im Weinviertel hergibt. So entstehen Chutneys, Ketchups, Marmeladen. „Ich bin nicht der, der gerne Unkraut zupft“, aber das Gras mähe er natürlich schon, das gehöre dazu zum (bisherigen) Wochenendgärtnern. Den Bauernhof, der derzeit nur gemietet ist, wird das Paar im neuen Jahr kaufen und neu gestalten. Dabei soll auch ein Atelier für Gabriela Waberer entstehen, und Herzog will sein Leben künftig gleichmäßiger zwischen Wien und Falkenstein, einem klassischen Weinbauort, aufteilen.
Herzog wirkt heute angekommen. Mit seiner zweiten Frau lebt er das Leben, das ihm gut tut, mit den beiden Enkelkindern habe er viel Freude. Stolz ist er, wenn er auf seine Laufbahn in der Israelitischen Kultusgemeinde zurückblickt. 27 Jahre, das sei eine lange Zeit, in der viel gelungen sei, allem voran die Implementierung eines Controllings, für das ihn der damalige IKG-Präsident Paul Grosz in die IKG geholt hatte.
So mancher Mitarbeiter fühlte sich in seiner Anfangszeit ein bisschen auf den Schlips getreten, erinnert sich Herzog heute. „Ich kam als Controller, wurde aber als Kontrollor verstanden.“ Ein Missverständnis, das sich über die Jahre selbst bereinigte. Die Großprojekte, die unter der Präsidentschaft von Ariel Muzicant folgten, wären ohne heutige Selbstverständlichkeiten wie einer Budgetierung, einem monatlichen Reporting, einem umfassenden Berichtwesen – all dies führte Herzog ab Beginn der 1990er-Jahre in der IKG ein – nicht abzuwickeln gewesen, vor allem der Bau des „Campus“ im Prater, aber auch all die anderen Projekte von der Errichtung des IKG-Archivs bis zur Sanierung der jüdischen Friedhöfe.
In der Mitte der Gesellschaft. Unter (oder mit) drei IKG-Präsidenten hat Herzog – 2005 wurde er Generalsekretär für kaufmännische Angelegenheiten – gearbeitet: Auf Grosz folgte Muzicant, heute führt Oskar Deutsch die Geschicke der Wiener jüdischen Gemeinde. Grosz sei „der Ruhige, Besonnene“ gewesen, der letzte Präsident aus der Schoah-Generation. „Er war jemand, der mich auch als Mensch sehr beeindruckt hat, mit seiner unaufgeregten Art, mit der er die Kultusgemeinde geführt hat.“ Sein Nachfolger Muzicant sei das Gegenteil gewesen, „er hat Dinge vorangetrieben, hat mit seiner unglaublichen Power so viel bewegt.“ Deutsch wiederum sei sehr darauf bedacht, die Finanzen der Kultusgemeinde zu konsolidieren, und er stehe für die Öffnung der Kultusgemeinde nach außen. Mit ihm sei die IKG trotz ihrer Kleinheit in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ist Herzog überzeugt.
Insgesamt sieht Herzog viel Interesse an der Kultusgemeinde, das würden auch die Gespräche in seinem Freundes- und Bekanntenkreis widerspiegeln. Als man für die IKG einen Controller suchte, sollte es bewusst kein Gemeindemitglied sein. Und das habe sich auch als klug erwiesen, meint Herzog heute, nur so habe er hier 27 Jahre arbeiten können, ohne sich von den Interessen einer Gruppe oder durch persönliche Verbindungen vereinnahmen zu lassen. Lerne er neue Menschen kennen und erzähle über seinen Arbeitsplatz, werde ihm oft die Frage gestellt, ob er Jude sei. Wenn er dies dann verneine, kämen viele Fragen – die IKG werde noch immer als etwas Geheimnisvolles empfunden. Daher brächten zum Beispiel auch die Tage der Offenen Türen guten frischen Wind. Mit Antisemitismus sei er persönlich nie konfrontiert gewesen, ist Herzog sehr froh. Nur ab und zu trudle – seine Mail-Adresse stehe ja auf der IKG-Website – ein einschlägiges Mail in seinem Posteingang ein.
Als eine seiner größten Errungenschaften sieht Herzog, ein Team aufgebaut zu haben, „wie ich es mir immer vorgestellt habe“. Die Fluktuation sei gering, die Loyalität zur IKG groß, es werde mehr als das Notwendige gearbeitet und geleistet. „Auf dieses Team bin ich wirklich stolz.“ Und dieses Team werde auch seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin so unterstützen, wie es ihn in den vergangenen Jahren unterstützt habe. „27 Jahre, das ist ein halbes Leben“, sagt Herzog gegen Ende unseres Gesprächs. Ja, da schwingt schon ein bisschen Wehmut mit. Aber insgesamt klingt eben auch viel Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt durch. Und der IKG wird Herzog ja weiter verbunden bleiben.