Ein leiser Meister

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Das Kunst Haus Wien präsentiert den amerikanischen Fotografen und Maler Saul Leiter. Die Ausstellung ist für beide Kunstformen mehr als sehenswert. Von Reinhard Engel

  Eigentlich hätte er orthodoxer Rabbiner werden sollen wie sein aus Polen stammender Vater – und seine zwei Brüder. Saul Leiter, in Pittsburgh 1923 geboren, besuchte dort wohl eine Yeshive. Doch während er anschließend in einem jüdischen College studierte, las er in der öffentlichen Stadtibliothek schon keine religiösen Texte mehr. Er wählte stattdessen Bücher über europäische Kunst, japanische Kalligraphie und peruanische Textilien. Schließlich stahl er sich von zuhause fort – nahm einen Nachtbus nach New York und entsagte der religiösen Berufung endgültig.

 Seine lag anderswo, in der Malerei und in der Fotografie. Und auch mit Entsagung hatten die ersten Jahre im East Village genug zu tun. Aber Leiter fand bald kräftige Vorbilder – auf der einen Seite die abstrakten Expressionisten, auf der anderen Seite erst Henri Cartier-Bresson, dann weitere Große der Fotografie wie André Kertész, Brassai oder Walker Evans. Und Leiter blieb sein Leben lang beiden Kunstformen treu – verband sie gelegentlich mit der Technik der Übermalung.

 Seine Straßenfotographie – sehr früh schon in Farbe – ist denn auch stets der Malerei sehr nah – weniger reportagehaft und „schnappschussartig“ denn flächig, streng konstruiert und oft trotz menschlicher Figuren oder Gesichter nahe an der Abstraktion. Immer wieder sind es Spiegelungen der Großstadt, die den Betrachter mit unterschiedlichen Ebenen verstören, und auch die bewusst gesetzte Unschärfe durch Scheiben voller Regentropfen lässt die Realität verschwimmen. Als Maler arbeitet Leiter sowohl abstrakt als auch als

Porträtist mit kühnem Strich – aber fast immer kleinformatig, bunt und fröhlich. Lange Jahre verdiente er sein Geld als Modefotograf – vor allem für Harper´s Bazaar. Und auch bei diesen Auftragsarbeiten kommt sein ganz eigener Stil zu Tage – klar und grafisch aufgebaut, farbenfroh und wiederholt mit einem kleinen ironischen Lächeln unterlegt. Wäre er Rabbiner geworden, er hätte seine Gemeinde als freundlicher, weiser Mann geführt. Nicht laut, aber dem Leben sinnlich zugetan. 

Saul Leiter
Eine Ausstellung des Haus der Photographie/Deichtorhallen Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Kunst Haus Wien.
31.1.2013 – 26.5.2013
1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 13
Täglich 10-19 Uhr
www.kunsthauswien.com

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