Wina: Herr MMag. Haas, der bilaterale Handel mit Israel hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt, ebenso der Tourismus. Geben Sie uns einen aktuellen Überblick über die Auswirkungen von Corona. Wo hat es Probleme gegeben? Sind alle Branchen gleichermaßen betroffen, oder gibt es teilweise „Business as usual“? Beginnen wir vielleicht mit der Industrie: Liefern österreichische Unternehmen weiter Maschinen und Ausrüstungen nach Israel oder ist das eingebrochen?
Markus Haas: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Israel sind relativ krisenresistent. Die österreichischen Exporte nach Israel gingen von Jänner bis September um lediglich 2,6 Prozent zurück. Die Importe von Israel um etwas mehr, nämlich um 4,5 Prozent. Natürlich gab es Verschiebungen zwischen einzelnen Zolltarifpositionen. Das Gros der österreichischen Lieferungen stellen aber nach wie vor Maschinen und Anlagen sowie Mess- und Prüfinstrumente dar. Das ist ein massiver Sockel. Den haut nicht so schnell etwas um.
Der Tourismus ist jedoch mit einem Mal schmerzlich zum Stillstand gekommen. Das gilt für beide Seiten. Sommertourismus im eigenen Land war übrigens auch für die Israelis etwas Neues. Der Reiseverkehr wird sich erst mit der Aufhebung der gegenseitigen Reisebeschränkungen im Jahresverlauf 2021 erholen.

Wie sieht es bei Lebensmitteln aus? Gibt es in dieser Branche Alarmmeldungen, normales Geschäft oder sogar einzelne Erfolgsberichte?
Der Lebensmittelbereich ist definitiv noch ausbaufähig. Hier sehe ich gutes Potenzial für Warenexporte aus Österreich nach Israel. In der Krise ist jedoch leider nicht der ideale Zeitpunkt für Produkteinführungen. Der Konsument kauft Altbekanntes und hält sich nicht lange im Geschäft auf.
Auf der anderen Seite ist Israel, allen voran Tel Aviv, beispielgebend für vegane Essgewohnheiten. Da können wir uns einerseits auf der technologischen Seite noch einiges abschauen. Andererseits gibt es auch viele Kunden für vegane Produkte, z. B. Alternativmilchprodukte. Das Koscherzertifikat ist dabei nicht immer erforderlich, wenn auch hilfreich.

Da können wir uns auf der technologischen Seite noch einiges abschauen.
Markus Haas

Wie steht es um Dienstleistungen – von den österreichischen Tunnelbauingenieursfirmen bis zu israelischen Spezialisten für Cyber Security? Gehen hier die Geschäfte weiter oder sehen Sie Probleme?
Die Dienstleistungsbranche zählt sicher zu den Gewinnern des heurigen Jahres. Was Ingenieursdienstleistungen anbelangt, so steht Israel ein massiver Ausbau der Schieneninfrastruktur bevor, wodurch sich auch große Chancen für österreichische Ingenieurbüros ergeben. Die von Ihnen angesprochene Cyber-Security-Branche erlebte 2020 einen massiven Boom. Da sich viele Lebensbereiche ins Netz verlagert haben, haben wir dieser Tatsache mit einem Webinar im Oktober Rechnung getragen.

Wie kann man sich derzeit das praktische Wirtschaftsleben zwischen Israel und Österreich vorstellen? Die Lockdowns wechseln einander ab, es gibt Beschränkungen beim Flugverkehr. Können Verkäufer oder Techniker hin und her reisen? Gibt es beim Transport von Waren Verzögerungen oder Schwierigkeiten?
Die Reisebeschränkungen stellen derzeit die größte Hürde dar. Techniker können nicht oder nur unter Einhaltung der 14-tägigen Quarantäne nach Israel einreisen. Das erschwert die Inbetriebnahme oder Reparatur wichtiger Maschinen erheblich. Österreich ist hingegen für israelische Geschäftsleute seit dem Sommer offen. So konnten diese einander zumindest in Österreich treffen. Beim Warentransport gibt es hingegen, vom Postversand vor Weihnachten abgesehen, keine gröberen Verzögerungen. Wir hoffen natürlich, dass sich mit der Impfung, die in Israel sehr rasch und umfangreich zur Anwendung kommt, auch die Reisesituation entspannen wird.

Der bilaterale Tourismus dürfte wohl durch Corona völlig zum Stillstand gekommen sein. Sie kennen aber in Israel ein interessantes Beispiel, wie sich eine Urlaubsregion erfolgreich gegen das Virus organisiert – momentan nur für Israelis. Können Sie uns das schildern?
Eilat hat sich seine geografisch abgeschiedene und leicht zu kontrollierende Lage zum Vorteil gemacht und sich als grüne, coronafreie Tourismuszone etabliert. Das gilt einstweilen allerdings nur für israelische Touristen. Das Modell ist in Österreich auf reges Interesse gestoßen. Freilich, beim kompletten dritten Lockdown mussten auch diese Musterregionen wieder dichtmachen.
Könnte das auch für österreichische Ferienorte ein Vorbild sein? Diese sind ja meist nicht so einfach von der Umgebung abzuschließen wie Eilat.
I Genau: Alpentäler haben zwar eine ähnliche geografische Lage, da auch hier der Zugang relativ leicht zu kontrollieren wäre. Meines Wissens nach hat sich jedoch bis dato noch keine Urlaubsregion dazu entschieden, ein ähnliches System umzusetzen. Dies dürfte am doch regen regionalen Pendlerverkehr liegen.

Wo sehen Sie für den Tourismus ein Licht am Ende des Tunnels? Was hören Sie von israelischen Reisebüros? Stehen diese bereit für einen Neustart, sobald ihre Kunden geimpft sind?
Laut Schätzung von Experten dürfte ein Drittel der Reisebüros verschwinden. Bei den Hotels könnten auch einige, vor allem kleinere Häuser, das Handtuch werfen. Allgemein gehe ich jedoch davon aus, dass die reisehungrigen Israelis die Flieger stürmen werden, sobald dies die Situation wieder erlaubt. Wir haben das am Beispiel von Griechenland während des zweiten Lockdowns oder auch danach mit den Emiraten gesehen.

In welchen Sektoren sehen Sie in den nächsten Monaten gute Chancen für eine Erholung bzw. eine Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit? Wo sind Sie als Wirtschaftsdelegierter ganz besonders aktiv?
Es ist davon auszugehen, dass es im industriellen Bereich etliches an Aufholbedarf gibt. Das gilt etwa für Maschinen, bei denen ein persönlicher Besuch oder eine Abnahme entscheidend sind. Ersatzinvestitionen werden getätigt werden, sobald sich die Reisesituation entspannt und das Konsumentenvertrauen wiederkehrt. Ebenso kommt dann die Zeit von Produkteinführungen, die bisher aufgeschoben wurden. Ich gehe von einer Erholung in Israel ab dem zweiten Quartal 2021 aus. Für diese Zeit planen wir auch wieder physische Events: zunächst im Tourismus- und Logistikbereich eine Teilnahme an der Eco-Motion, später dann eine Wirtschaftsmission im Bereich Umwelttechnik, in Digital Health sowie im Bereich der Verkehrsinfrastruktur.

Markus Haas. Länder kennen lernen – unterwegs in Sachen Wirtschaft. © privat

Algier, New Delhi, New York, Damaskus
Markus Haas vertritt seit August 2020 als Leiter der Wirtschaftsmission Advantage Austria in Tel Aviv die WKO in Israel. Zuletzt hatte er drei Jahre lang in Wien in der Zentrale als Head of Export Finance, International Projects & Financial Institutions gearbeitet, davor war er vier Jahre Wirtschaftsdelegierter in Algier gewesen. Stellvertretererfahrung konnte er in New York, New Delhi und Damaskus sammeln. Während seiner Zeit in Österreich hat er sich auch als Mentor für Migranten eingesetzt.

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