Es duftet nach Sommer, in dem sich die Pfirsichbäume biegen und die Vögel zwitschern, als gäbe es kein Morgen. So ähnlich idyllisch, wenn auch eher frühlingshaft, dürfte es in Gyöngyöspata, 80 km von Budapest entfernt, vor fünf Jahren gewesen sein, als plötzlich Mitglieder einer rechtsradikalen Miliz in der „Zigeunerstraße“ aufmarschierten und „Kommt raus, Zigeuner, heute werdet ihr sterben!“ brüllten.
In einem alten Bauernhaus am Ortsrand ist die kindliche Anarchie ausgebrochen – es wird geschrien, gelacht, getanzt und gesungen. Alles gleichzeitig. Es klingt nach glücklichen Sommerferien im Sommercamp der Romakinder von Gyöngyöspata, betrieben vom Verein „Die Zukunft Formen“. Erst beim dritten Anlauf gelingt es mir endlich, als eine der Freiwilligen, das Märchen vom Mäuserich fertig zu erzählen, der die Idee hatte, dem Kater eine Glocke um den Hals zu hängen, um ihn von der Weite hören zu können. Die einzige Chance, die das Mäusevolk hatte um sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Doch wer traut sich sich dem Kater so zu nähern, um ihm die Glocke umzuhängen?
Sie haben sie nicht kommen hören, aber sie haben sich gewehrt, damals vor fünf Jahren. Es kam zu Schlägerein, es gab Verletzte und danach gab es viele verlassene Häuser – sie sind zu Verwandten in anderen Siedlungen gezogen, haben ihr Glück in Kanada gesucht. Manche sind nie wiedergekommen. Doch viele sind geblieben oder später zurückgekehrt. Sie versuchen ihren Alltag zu meistern, zu überleben. Die Eltern arbeiten, wenn sie Glück haben, als Tagelöhner auf den Feldern um umgerechnet acht Euro am Tag oder mähen den Rasen entlang der Landstraße als Sozialhilfeempfänger im verpflichtenden Arbeitsdienst für etwa 180,- Euro im Monat. Und die Kinder? Sie versuchen die Schule zu besuchen, soweit man sie lässt. Doch die örtliche Schule ist ein Musterbeispiel für Segregation. Die Romakinder werden in eigene Klassen gesteckt, dürfen die „sauberen“ Toiletten nicht benutzen, werden beschimpft und ausgeschlossen. Kein Lehrer, der sie in Schutz nehmen würde, keiner, der sich um ihre Ausbildung, um ihre Fortbildung kümmern würde. Die Folgen: viele gehen gar nicht hin, sind kaum des Lesens und Schreibens mächtig und beenden so ihre Schulkarriere mit 14 Jahren.