Anna Badora, Regisseurin und ehemalige Intendantin des Grazer Schauspielhauses, ist die neue künstlerische Leiterin des Wiener Volkstheaters. Über ihre polnische Herkunft zwischen Katholizismus und Kommunismus, jüdische Themen und neue Theaterformen in ihrer ersten Saison sprach sie mit Christina Kaindl-Hönig.
WINA: Sie wurden 1951 im polnischen Wallfahrtsort Tschenstochau geboren. Gab es eine familiäre oder soziale Prägung für Ihren späteren Werdegang?
Anna Badora: Nein, aber in meiner Familie gab es einige Menschen, die geschrieben haben. Mein Vater war Journalist und Antiquar, da man damals mit einem einzigen Beruf kein Auslangen hatte. Er schrieb über soziale Themen und die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. Er interessierte sich sehr für jüdische Hinterhöfe, die nach dem Krieg plötzlich leer waren, für all jene Orte, aus denen die EinwohnerInnen überwiegend verschwunden waren, und fragte, was mit ihnen passiert sei. Wir selbst sind nicht jüdisch, doch die engste Freundin meiner Mutter war Jüdin. So übertrug sich die Freundschaft der Mütter auf die Töchter, und ich wuchs mit den Kindern der jüdischen Gemeinde auf.