Die überwältigende Präsenz der Éva Fahidi

Die Filmemacherin Réka Szabó hat das tänzerische Abenteuer von Fahidi mit der sechzig Jahre jüngeren Tänzerin Emese Cuhorka in einer filmischen Dokumentation verewigt.

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Berührende Auftritte der Éva Fahidi. Die 92-jährige Schoah-Überlebende tritt mit ihrem Publikum in einen tiefbewegenden, warmherzigen Dialog.

Sie sollte am 9. November im Zentrum der großen Volkstheater-Bühne stehen. Weil sie aber bei den letzten Proben in Budapest für den Auftritt in Wien einen Schwächeanfall erlitt, musste Éva Fahidi kurzfristig absagen. Dennoch war die 92-jährige Überlebende der Schoah an diesem Abend und bei nachfolgenden Veranstaltungen im wahrsten Sinne gegenwärtig. Ermöglicht hat das Réka Sza-bó, jene Regisseurin und Filmemacherin, die das tänzerische Abenteuer mit Fahidi und der sechzig Jahre jüngeren Tänzerin Emese Cuhorka in einer filmischen Dokumentation verewigte. Dieses berührende Making of flimmerte über die Leinwand des Volkstheaters: Es ist ein tief bewegender, warmherziger Dialog zwischen den beiden Frauen, der zärtlich-tänzerisch, erzählend und lachend umgesetzt wird. Seit bald zwei Jahren spielen und tanzen Éva Fahidi und Emese Cuhorka diese intime pièce mit dem Titel Strandflieder oder Die Euphorie des Seins (Sóvirág a létezés eufóriája) am Budapester Vígszínház Theater sowie auf Tourneen in ausverkauften Häusern.

Für dieses Gastspiel aus Budapest anlässlich des Gedenktages an die Novemberpogrome 1938 hat sich das Volkstheater in Kooperation mit dem Österreichischen Parlament und dem Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien entschieden. Den Abend leitete Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, mit einer brillanten Rede ein, die sowohl familiäre Aspekte berührte – Lessings Großmutter wurde in Auschwitz ermordet –, als auch handfeste aktuelle politische Bezüge aufwies.

Seit bald zwei Jahren spielen und tanzen Éva Fahidi und Emese Cuhorka diese intime Pi­e­ce mit dem Titel Strandflieder oder Die Euphorie des Seins …

Es war ein Abend großartiger Frauen, angeführt von Éva Fahidi, die 1925 in Debrecen, Ostungarn, geboren wurde und in einer wohlhabenden Familie dreisprachig aufwuchs: Ungarisch, Slowakisch und Deutsch wurde zuhause gleichberechtigt gesprochen. Das groß gewachsene Mädchen wollte Pianistin werden, doch mit achtzehn Jahren wurde sie zwangsdeportiert und kam nach Auschwitz-Birkenau.

Éva Fahidi und die Tanzcompanie The Symptoms aus Budapest anlässlich des 71. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz im TAK Theater im Aufbau Haus, Berlin.

Ihre Mutter und ihre kleine Schwester wurden dort ermordet. Als einzige Überlebende ihrer Familie gelangte sie ins Zwangsarbeiterlager Münch-Mühle im hessischen Städtchen Allendorf, wo sie acht Monate lang schuftete. Nach ihrer Befreiung kehrte sie nach Debrecen zurück, verließ aber das Haus zwei Jahre nicht.

Nach jahrzehntelangem Schweigen in ihrer ungarischen Heimat, die von der dunklen Vergangenheit nichts wissen wollte, durchbrach Éva Fahidi nach einem erneuten Besuch in Auschwitz ihre eigene Mauer und schrieb ihre Erinnerung im Buch Die Seele der Dinge auf.

Éva Fahidi:
Die Seele der Dinge.
Lukas Verlag,
239 S., € 16,90

 

© Bernd Oertwig / picturedesk.com; Peter Kohalmi / picturedesk.com (2)

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