Donau, Berge, Kinderhotels

Der Gästestrom aus Israel nach Österreich wird immer breiter. Im Vorjahr erreichten die Nächtigungszahlen beinahe eine Million.

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Rekordzahlen bei Nächtigungen israelischer Touristen in Österreich. ©123 RF

Ein kühler Sommertag in den Tiroler Bergen kann die Urlaubsfreude nicht bremsen. Die Kids toben in der Indoor-Wasserwelt herum, später geht es zum Basteln und Malen in ihren Club. Inzwischen entspannen die Eltern im Adult only Spa mit Sauna und Pool, wo der Türöffner so hoch angebracht ist, dass ihn die Kleinen nicht erreichen können.

Am Abend umkreist dann jede Altersgruppe ihr jeweils eigenes Buffet: Die Erwachsenen holen sich am Anfang des Mehrgang-Menüs Salate und Vorspeisen. Die Kids arbeiten eine Etage tiefer am Kinderbuffet. Zuerst gibt es Spaghetti, Pommes frites und Mini-Schnitzerl, in einem zweiten Durchgang drängen sie sich zappelig um die Eisbox. Die einen genießen ihren Grünen Veltliner oder Zweigelt aus eleganten Stielgläsern, die anderen umklammern bruchsichere, mit Säften gefüllte Kunststoffbecher.

Zwei Familien aus Tel Aviv verbringen im Alpenpark Resort Seefeld der Kalchschmied-Gruppe ihren Österreich-Urlaub. Es sind drei Anwälte und eine Journalistin, dazu noch pro Paar zwei Vorschulkinder. Gefunden haben sie das Kinderhotel durch Zufall bei einem früheren Tirol-Besuch. Weitere Urlaube in Häusern der Angebotsgemeinschaft sollen folgen, im Sommer wie im Winter.

„Ja, israelische Touristen, besonders solche mit Kindern, lieben Österreich“, so eine der beiden jungen Mütter. „Es gibt hier so vieles, was uns zu Hause fehlt: genügend Platz und die wunderschöne grüne Natur.“

Diese Aussage steht nicht allein, sie wird mit aktuellen Zahlen massiv untermauert. „Wir haben im Jahr 2022 mit 950.000 Nächtigungen von israelischen Gästen in Österreich ein Rekordjahr gehabt“, erzählt Michael Tauschmann, bei der Österreich Werbung zuständig für die Märkte Naher Osten und Indien. Damit ist Israel ein wichtiger Markt geworden,

rangiert in Übersee bereits als Nummer zwei nach den USA. Und den Erwartungen der Touristen stehen ebensolche der Hoteliers und Fremdenverkehrsverbände gegenüber. Sie fassen die Vorteile der Gäste aus Israel so zusammen:

Israelische Urlauber sind eine ausgesprochen kaufkräftige Zielgruppe. 35 Prozent der Gäste haben ein Haushaltsnettoeinkommen von über 6.000 Euro;

die wichtigste Urlaubsart und Urlaubsaktivität ist Sightseeing;

36 Prozent der Gäste aus Israel kommen als Familie;

die Tagesausgaben sind mit 249 Euro pro Person und Tag überproportional hoch. Besonders viel wird für Shopping, Kulinarik und Freizeit bzw. Kultur ausgegeben.

Der aktuelle Boom findet gleichzeitig in verschiedenen Regionen statt. So lagen etwa die Nächtigungszahlen der Israelis in Wien im Vorjahr bei 350.000, berichtet Matthias Schwindl vom Vienna Tourist Board. Damit erreichten sie in der Stadt den neunten Rang unter den internationalen Gästen, für ein kleines, noch dazu außereuropäisches Land beachtlich.

Aber auch anderswo schnellen die Zahlen nach oben. In Salzburg wissen die dortigen Tourismuswerber von einem seit Jahren rasanten Wachstum der Nächtigungszahlen israelischer Gäste: „Von 2012 bis 2022 verzeichnete das SalzburgerLand ein Plus von 243 Prozent. Mit einem Nächtigungsanteil von 34 Prozent, gefolgt von Wien (31 Prozent) und Tirol (20), ist das SalzburgerLand bei den israelischen Gästen die beliebteste Sommerdestination in Österreich.“

Und auch in anderen Regionen geht es rasant aufwärts. So erzählt etwa Christian Schirlbauer, Geschäftsführer der oberösterreichischen Ferienregion Dachstein Salzkammergut: „Wir hatten im Jahr 2021 insgesamt nur 740 Nächtigungen von Israelis. Im Geschäftsjahr 2022 waren es bereits 14.700. Die Israelischen Gäste haben das Salzkammergut entdeckt, ich kann nur dankbar dafür sein.“

Darüber hinaus sind manchmal kleine Erfolge an Orten zu verbuchen, wo man sie zunächst nicht erwartet hätte. So freute sich etwa die Hoteliersfamilie Thaller in ihrem Betrieb (Hotel, Wirtshaus, Drei-Hauben-Restaurant) im steirischen Anger bei Weiz im Mai über die überraschende Ankunft von 40 Frauen und Männern aus Israel. Das ist sonst eher eine Ferienregion für Einheimische.

Spät, aber doch haben die österreichweit Verantwortlichen diesen Boom erkannt – und wollen ihn auch verstärken. Ab Frühjahr 2023 hat die Österreich Werbung mit der aktiven Bearbeitung des touristischen Wachstumsmarktes Israel begonnen. „Die vergangene Sommersaison hat unsere Entscheidung, Israel als Aktivmarkt zu definieren und damit die Marktbearbeitung für die österreichische Tourismusbranche weiterzuentwickeln, nochmals bestätigt“, so Lisa Wedding, ehemalige Geschäftsführerin der Österreich Werbung. „Die Wachstumszahlen sind im Vergleich zum Sommer des VorCorona-Jahrs 2019 mit über 20 Prozent enorm beeindruckend.“

Dazu gab es nicht nur TourismusWorkshops und Präsentationen der Österreich Werbung in mehreren israelischen Städten, auch Politiker reisten extra an: Neben dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher und der Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler waren touristische Player aus ganz Österreich mit in der Delegation. Einen genaueren Blick auf den Herkunftsmarkt wagte etwa Schirlbauer aus dem oberösterreichischen Bad Goisern. Aber auch der Tourismusdirektor Klaus Lorenz aus Baden bei Wien war dabei: „Wir sehen ein sehr hohes Potenzial für Baden bei israelischen Gästen und konnten sehr großes Interesse der Partner an unserer Region bemerken. Unter anderem gibt es bereits konkrete Anfragen in Richtung Wein- und Kulturtourismus, die wir in den nächsten Wochen mit den Partnern entwickeln werden.“

Kultur, Alpen, Shopping. Was machen die israelischen Gäste in Österreich? Und wie finden sie ihre Region, ihr Hotel, ihre Attraktionen? Theresa Berger ist Marketing-Leiterin des Wiener Luxushotels Sans Souci. Sie zeigt vom Fenster einer Suite hinüber auf die nahen Bundesmuseen. „Wir haben vorrangig zwei Gästegruppen aus Israel: Da sind einmal Familien, sie interessieren sich für Kultur, aber auch für die Geschichte ihrer Vorfahren. Sie besuchen neben den Museen etwa Synagogen, den zweiten Bezirk, eventuell auch Mauthausen.“

© fotohofer.at

„Die israelischen Gäste haben das
Salzkammergut entdeckt, ich kann nur dankbar dafür sein.“
Christian Schirlbauer

 

Die zweite nennenswerte israelische Gästegruppe kommt aus der LGBT+- Community, meist gleichgeschlechtliche Paare. Unter ihnen ist Wien zunächst einmal durch den Life Ball bekannt geworden, aber man umwirbt sie auch gezielt. Berger: „Wir schalten bei Google Werbung, wer dann LGBT+friendly Hotel und Wien eingibt, findet uns schnell.“ Das Sans Souci ist ein privates Haus und gehört zu keiner Hotelkette. Erreicht wird es durch Suche auf den Plattformen booking.com und Tripadvisor, überdies kann man über die Preferred Hotels und direkt über die Website buchen. „Wichtig ist aber doch die Mundpropaganda“, ist Director of Sales and Marketing Theresa Berger überzeugt.

Das bestätigt auch eine Untersuchung der SalzburgerLand Tourismus GmbH. In einem Papier für ihre Mitgliedsbetriebe liest man: „Israel ist ein Empfehlungsmarkt. Die Weiterempfehlung von Bekannten, Freunden und Familien hat einen überproportional hohen Stellenwert. Wurde eine Lieblingsdestination entdeckt, wird diese häufig und gerne weiterempfohlen, weshalb sich die Nachfrage in manchen Regionen konzentriert.“ Dazu gibt es gleich ein konkretes Beispiel: „Das spiegelt sich auch in der Entwicklung Flachau wider. Es gab den Bericht eines einflussreichen Influencers, und im Sommer 2022 konnte mit knapp 67.000 Nächtigungen ein regionales Rekordhoch erreicht werden.“

Die Bedeutung der persönlichen Empfehlung kennt Sükran Koc ebenfalls. Sie ist Resident Manager des vor wenigen Monaten eröffneten Vier-Sterne-BoutiqueHotels 011 gegenüber der Wiener Oper. „Wir haben gleich am Anfang israelische Gäste gehabt, und jetzt – bei 49 Zimmern – sind es jede Woche vier bis fünf Familien.“ Dabei handelt es sich um kaufkräftige Gäste, vor allem aus den Städten Tel Aviv und Haifa, sie buchen vorrangig die Suiten, die 300 bis 400 Euro pro Nacht kosten. „Aber sie wollen auch etwas haben für ihr Geld.“

Die Oper spielt dabei als Attraktion kaum eine Rolle, die Museen schon eher. „Aber vor allem zählen die nahe Kärntner Straße und die City fürs Shoppen“, weiß die Managerin. „Wir werden immer wieder zu Einkaufstipps gefragt.“ Und es geht auch um weitere Destinationen. „Regelmäßig buchen wir Bahn-Tickets für unsere Gäste, nach Salzburg oder München.“

Diese Beweglichkeit und Unruhe haben die SalzburgerLand-Spezialisten über ihre israelische Klientel ebenfalls erhoben: „Israelische Gäste sind sehr unternehmenslustig und wollen in ihrem Urlaub so viel wie möglich erleben. Vor Ort wird gerne ein Mietauto gebucht, so kann die israelische Spontanität und Flexibilität noch besser gelebt werden. Die SalzburgerLand Card mit ihren 190 inkludierten Attraktionen steht da hoch im Kurs. Eindrucksvoll: Von knapp 42.000 verkauften Cards wurden 10.900 von Israelis abgenommen.“

Auch der Oberösterreicher Schirlbauer hat diese Erfahrung gemacht: „Unsere Israelis besuchen Hallstatt und das Salzwelten-Bergwerk, fahren mit der Gondel hinauf zur spektakulären Aussichtsplattform Five Fingers auf dem Krippenstein oder wandern rund um den Gosausee. Aber nach ein, zwei Tagen sind sie wieder weg und ziehen weiter – nach Salzburg, Wien oder Innsbruck.

©Reinhard Engel

„Da sind einmal Familien, sie interessieren sich für Kultur, aber auch für die Geschichte ihrer Vorfahren.“
Theresa Berger

Was die österreichischen Hoteliers neben der Ausgabenfreudigkeit der Israelis besonders freut, ist die andere Taktung der Urlaubssaisonen. Wieder die SalzburgerLand-Touristikerin: „Eine Besonderheit im israelischen Markt ist das große Potenzial vor allem in der ,Shoulderseason‘, also abseits der Hauptreisezeiten und insbesondere im Frühling und Herbst. Denn die jüdischen Feiertage fallen genau in diese Zeit: Zu Pessach (Anfang April), Sukkot (Anfang Oktober) und Chanukka (Anfang Dezember) reisen säkulare Jüdinnen und Juden gerne und, da Schulferien sind, auch länger mit ihren Kindern.“ Und das sind eben gerade Zeiten, in denen die Österreicher – und auch viele Gäste aus anderen Ländern – eher zu Hause bleiben und die Auslastung Luft nach oben hat.

Darüber hinaus sind die Israelis technikaffin und kurzfristig motivierbar. So liest man in einer Studie, die die Österreich Werbung in Auftrag gegeben hat: „Zwei Drittel der Gäste aus Israel buchten den Urlaub online im Internet, weitere 26 Prozent per E-Mail. Vor allem der Anteil der Buchungsplattformen und von Airbnb ist überproportional hoch.“ Und zur Spontaneität: „Ein Drittel der israelischen Gäste buchte den Urlaub ein bis drei Monate im Vorfeld der Reise. Weitere 20 Prozent buchten zwei bis vier Wochen im Vorfeld. Im Verhältnis zu anderen ausländischen Gästen sind Gäste aus Israel damit eher kurzfristige Bucher.“

Zurück in Seefeld: Nach dem anstrengenden Kids Club haben sich die Kleinen mit den Eltern ein Eis in einer Konditorei im Ort verdient. Noch sind die Gesichter angemalt wie auf einem Faschings- oder Purim-Fest. Doch die Müdigkeit lässt sich nicht mehr verbergen. Die Kinder haben ihren Tag mit Aktivitäten prall gefüllt. Und sie werden das Jahre später als erwachsene Österreich-Besucher wohl wieder machen. Eventuell mit ihren Kids.


KOSCHER AM BERG

Glückliche Kids bei Pommes und Kinderschnitzel: Israelische Familien kommen immer öfters nach Österreich und genießen hier allinclusive in alle Regionen und Bereichen. © Reinhard Engel

Die allermeisten israelischen Touristen in Wien sind säkular und kommen aus den Städten Tel Aviv und Haifa. Doch es gibt auch die religiösen Gäste aus Jerusalem, Zfat oder Bnei Brak. In Wien bieten mehrere Hotels koscheres Essen an, sei es selbst gekocht oder gecatered. Dazu gibt es koschere Restaurants, vor allem im ersten und zweiten Bezirk.

Auf dem Land sind solche Angebote selten. Die religiösen Wiener, Antwerpener oder Münchner mieten im Sommer alpine Appartements und versorgen sich selbst. Einkaufsmöglichkeiten, die ihren religiösen Vorschriften entsprechen, gibt es vor Ort nur äußerst selten. Für Israelis wären Lebensmitteltransporte in ihre Ferien äußerst mühsam.

Es gab und gibt aber immer wieder spezielle Angebote für streng gläubige Juden. Unter der Website totallyjewishtravel.com bietet etwa die israelische Feder-Familie mit ihrem Veranstalter Tour Olam koschere Urlaube in Österreich an. Einige Jahre lang arbeiteten sie mit einem Hotel im Tiroler Serfaus zusammen, für heuer laden sie ins Sporthotel Zederhaus im Salzburger Lungau ein. „Die Küche wird vom Tour-Olam-Team betrieben“, schreiben sie. „Es gibt Halbpension und ein reiches Buffet für Lunch-Sandwiches.“ Im Programm fakultativ mit buchbar sind auch Touren nach Hallstatt, nach Kaprun, auf den Großglockner, zum Shoppen nach Salzburg oder ins deutsche Berchtesgaden. Das Hotel wurde übrigens einmal von den Skifahrern Hermann Maier und Rainer Schönfelder betrieben und gehört nach einer Pleite und mehrjährigem Leerstand jetzt einer Tiroler Familie.

Ähnliche Angebote organisiert der seit Jahren in Wien lebende Israeli Avi Fein. Er hat etwa zuletzt für die Feiertage von Schawuot in einem Budapester Fünf-Sterne-Hotel 40 Zimmer en bloc gebucht und in der Küche glatt koscher kochen lassen. „Wir haben sie gekaschert, dann unsere Köche, den Meschgiach und alle Lebensmittel gebracht.“

Fein kann reiche Erfahrung mit derartigen kurzzeitigen Hotel-Übernahmen vorweisen, sogar auf viel größerem Niveau. Er hat etwa in Dubai oder in der Türkei Koscher-Urlaube für 500 bis 1.000 Gäste geplant und durchgeführt. Seine Gäste kommen aber seltener aus Israel denn aus den USA und Großbritannien. Österreich will er dabei dennoch nicht vergessen. „Dieses Jahr habe ich kein Angebot, aber für den kommenden Sommer suche ich ein Hotel in Tirol. Es ist schwieriger geworden, denn früher war der Sommer schwach gebucht, jetzt sind die Häuser oft voll und suchen keine zusätzlichen Partner.“

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