Habsburger, Cobra und russische Juden

Das Jagdschloss Schönau im Süden von Wien hat eine bewegte Geschichte. Heute wird es für Hochzeitsfeiern genutzt, auch mit koscherem Catering.

1281
Joshua Elbaranes und Michael Kremsner: der israelische Caterer für jüdische Feiern und der Schlossherr. © Reinhard Engel

Michael Kremsner und Joshua Elbaranes stehen am romantischen Teich mit dem Jagdschloss im Hintergrund. Hier kann die Braut in einem Kahn am Steg für den Fototermin anlegen. Gefeiert wird dann entweder im Ballsaal oder – in der warmen Jahreszeit – auch in einem englisch anmutenden Zelt im riesigen Park.
Kremsner, ein aus Tirol stammender Unternehmensberater mit Büros in Frankfurt und Wien, hat das Anwesen in Schönau an der Triesting aus seinem Märchenschlaf wachgeküsst. Er kaufte es, ziemlich verwahrlost wie der überwucherte Park rundum, im Jahr 2005. „Für ein Privathaus ist es zu groß, für ein kommerziell betriebenes Hotel zu klein. Zubauen durfte man nicht, dafür gab es keine Baugenehmigung, alles steht unter Denkmalschutz.“
Also überlegte sich Kremsner, dessen Familienstiftung das Schloss gehört, ein Konzept. Zehn geschmackvolle Appartements oder Suiten wurden installiert, aber für einen durchgehenden Betrieb wäre das dennoch nicht genug. Angeboten wird daher an Wochenenden, das ganze Haus an Hochzeitsgesellschaften zu vermieten, unter der Woche immer wieder an Unternehmen für Seminare oder Firmenfeiern. „Wir liegen etwa 30 Autominuten südlich von Wien“, erläutert der Schlossherr, „bei Hochzeiten wohnt die engere Familie hier, die übrigen Gäste können mit Kleinbussen in Hotels ins nahe Baden gebracht werden.“
Kremsner arbeitet mit zwei Caterern zusammen. Einer davon ist der gebürtige Israeli Joshua Elbaranes, den er zufällig kennengelernt hatte. Seine Frau informierte ihn über die Geschichte des Schlosses, die auch einen jüdischen Aspekt hat, „und ich habe mir gedacht, das könnte gut passen“. Elbaranes verfügt über reichliche Erfahrung mit großen jüdischen Feiern in Wien, sei es in Hotels oder Palais, und er kommt mit koscherem Geschirr und seiner Crew angereist, inklusive kontrollierendem Maschgiach. „Den Rabbiner bringen ohnehin die jeweiligen Brautleute.“ Das Essen, das er anbietet, ist moderne israelisch-mediterrane Küche, „aber wenn jemand etwas typisch Österreichisches will, dann kann ich das schon auch.“ Worin besteht der jüdische Bezug des adeligen Jagdschlosses, den Elbaranes angesprochen hat?
Schönau war zwischen 1968 und 1973 ein Durchgangslager für jüdische Emigranten aus der damaligen Sowjetunion, und das in großem Umfang. Insgesamt 70.000 Männer, Frauen und Kinder verbrachten meist wenige Tage dort, ehe sie vom nahen Flughafen Schwechat aus nach Israel weiterflogen. Angekommen waren sie per Zug.

Wasserschloss Schönau. Der historische Stich zeigt einen Blick auf das Vorgängerschloss auf diesem Grund.

Einen solchen Zug überfiel am 28. September 1973, dem jüdischen Neujahrstag Rosh ha-Schana, ein palästinensisches Kommando und nahm mehrere Emigranten und einen österreichischen Zöllner als Geiseln. Sie forderten von der Regierung ultimativ die Schließung von Schönau. Bundeskanzler Bruno Kreisky, der verhindern wollte, dass den Geiseln etwas passiert, gab schnell seine Zusage, nach mehrstündigen Verhandlungen auch für die ungehinderte Ausreise der Terroristen. Die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir reiste drei Tage später nach Wien und forderte von Kreisky die Rücknahme dieser Entscheidung, stieß bei ihm aber auf taube Ohren. Er gab an, es habe schon früher Terrordrohungen gegen das Lager Schönau gegeben, die Sicherheitslage sei zu prekär.
Kreisky behinderte dennoch nicht den weiteren Fluss sowjetischer jüdischer Menschen durch Österreich. Zunächst wurde die Babenberger-Kaserne in Wöllersdorf unter der Ägide des Roten Kreuzes „für Flüchtlinge und andere Durchreisende“ geöffnet, später ging dann – als dauerhafte Einrichtung – ein neues Transitlager in Wien Simmering in Betrieb.
Schönau hatte nie der Regierung gehört, sie hatte es nur vom Pächter des Anwesens, einem Holländer, gemietet. Als unmittelbare Folge der Geiselnahme wurde zunächst die niederösterreichische Polizei aufgerüstet, später ein Gendarmerieeinsatzkommando, genannt Cobra, gegründet. Dieses bezog das Schloss als Einsatzzentrale, baute für seine Zwecke um,was gerade erlaubt war, inklusive hoher Funkantenne und Hubschrauberlandeplatz, im dicht bewaldeten Parkt wurde geübt. Nach dem Auszug der Spezialpolizisten im Jahr 1992 dämmerte Schönau Jahrzehnte dahin.

 

Elbaranes verfügt über reichliche Erfahrung
mit großen jüdischen Feiern in Wien.

Er kommt mit koscherem Geschirr und seiner Crew angereist,
inklusive kontrollierendem Maschgiach.

 

Habsburger Jagdschloss. Errichtet hatte es einst ein Habsburger Erzherzog, Otto, ein Neffe von Kaiser Franz Joseph, im Jahr 1895. Es war für die damalige Zeit ein relativ modernes Jagdschlösschen. Der 30 Hektar große Park war freilich viel älter, hier gab es ab dem 11. Jahrhundert eine Burg, bei Türkeneinfällen suchte die rundum lebende Bevölkerung dort Schutz. Später stand dort ein Wasserschloss aus dem 17. Jahrhundert. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte das Anwesen mehrmals die Besitzer. Dazu zählte etwa der Bruder Napoleon Bonapartes, Jerome. Das „neue“ Schloss bewohnte nach Erzherzog Otto Elisabeth Marie von Österreich, die so genannte „rote Erzherzogin“.
Vom alten Wasserschloss gibt es nur mehr einige wenige Fundamente, neben dem heutigen Hochzeitsgebäude steht eine Villa, ebenfalls von Otto errichtet, in der sich eine Waldorfschule befindet. Und weiter hinten im Garten können Hausgäste noch in einer Grotte die Reste eines ehemaligen Freimaurertempels aus dem frühen 19. Jahrhundert besichtigen. Diesen hatte ein anderer Eigentümer von Wasserschloss und Park lange vor Otto angelegt, der Spitzenbeamte und Unternehmer Peter Freiherr von Braun.
Braun war eine schillernde Persönlichkeit, zunächst Hofsekretär in Wien, dann Baumwoll- und Seidenfabrikant. Er holte für den Aufbau seiner Unternehmen eigens Spezialisten aus Lyon ins Land und erlangte damit beträchtlichen Wohlstand. Später wandte er sich der Kultur zu und arbeitete 13 Jahre lang als Theaterdirektor in Wien, sowohl des Hofburgtheaters wie auch des Theaters an der Wien. In seiner Direktion wurde Ludwig van Beethovens einzige Oper Fidelio am Theater an der Wien uraufgeführt – wenn auch zunächst ohne großen Erfolg.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here