Krebstherapie privat

David Kuczer bietet in der Wiener Privatklinik präzise Strahlentherapie an. Die Maschine hat ein israelisch-französisches Konsortium angeschafft.

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David Kuczer bringt heute all seine Erfahrung als Mitglied des Tumor Boards der Wiener Privatklinik ein. Die Nachfrage ist stetig wachsend, etwa bei Prostata-Behandlungen (unten). © Reinhard Engel

Im Untergeschoss der Wiener Privatklinik im neunten Bezirk hat ein internationales Konsortium investiert. Knapp zehn Millionen Euro sind in ein modernes Bestrahlungsgerät geflossen, vergleichbare Spezialkliniken wurden zuvor schon in anderen Ländern eröffnet, etwa in Deutschland, Rumänien, Polen, Großbritannien, Frankreich oder Italien. Amethyst Radiotherapy nennt sich das Unternehmen, und seine Gründer und Besitzer sind ein Israeli und ein Franzose.

Gegründet wurde Amethyst 2010. Der Israeli Avner Goldenberg hatte zuvor einige Dialysekliniken betrieben und dann an den deutschen Fresenius-Konzern verkauft, der Franzose Ludovic Robert kommt aus der Pharmabranche. In Österreich wurde vor zweieinhalb Jahren eröffnet, seither wächst das Medizinunternehmen stetig. Der Strahlenmediziner David Kuczer, der gemeinsam mit einer rumänischen Kollegin die medizinische Seite betreut, dazu: „Wir hatten im Vorjahr 170 Patienten, bei 200 sind wir beim Break-even.“ Ingesamt beträgt die Kapazität des Strahlenzentrums 1.500 Patienten pro Jahr.

Die Idee ist, die teure Maschine mit einem Mix aus lokalen und internationalen Privatpatienten und örtlichen Kassenpatienten auszulasten. Das ist inzwischen auch in den meisten Ländern gelungen, nicht so in Österreich. Kuczer führt das auf die unklare Kompetenzverteilung zwischen Krankenkassen und Ländern zurück: „Die Krankenkassen sind für den niedergelassenen Bereich zuständig, die Spitäler werden aus den Landesbudgets finanziert. Natürlich wollen die Kassen teure Behandlungen den Spitälern überlassen und nicht selbst die Kosten übernehmen.“

© Reinhard Engel

Dennoch hat sich in Österreich nach fast ausschließlich internationalen Anfängen die Zahl einheimischer Patienten deutlich erhöht. Von den 170 Behandelten im Jahr 2022 waren immerhin 120 Österreicherinnen und Österreicher. Die meisten von ihnen zahlen selbst, nur wenige private Zusatzversicherungen übernehmen die Kosten, die immerhin acht bis 16.000 Euro ausmachen können, für internationale Patienten noch mehr. „Offensichtlich gibt es den Bedarf“, versichtert Kuczer.

Warum finden sich dennoch zahlende heimische Patienten? Kuczer argumentiert mit „persönlicher Betreuung nach internationalen Universitätsstandards“, mit modernster Technologie und präziser Ausrichtung der Bestrahlung, sodass diese mit weniger Behandlungen und weniger Nebenwirkungen stattfinden könne. Das sind – je nach Krebs und Tumor – zwischen fünf und 20 Behandlungen über einen Zeitraum von einer Woche bis vier Wochen. Bei Standardbehandlungen dauert es laut Kuczer zwei bis acht Wochen. Außerdem bekomme man zeitnah Termine. An seinen Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Bereich will er keine fachliche Kritik üben, aber die Bürokratie und die teilweise knappe Personaldecke lassen dort doch Luft nach oben.

„Natürlich wollen die Kassen teure Behandlungen den Spitälern
überlassen und nicht selbst die Kosten übernehmen.“
David Kuczer

 

Eine dieser privaten österreichischen Patientinnen war die 82-jährige Margot Goldberger. Sie hatte schon eine Krebsart überstanden und wollte dann bei der Brustkrebsbestrahlung nicht riskieren, dass weiteres Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wird. „Sie hat ein riesiges Vertrauen in den Doktor“, erzählt ihre Tochter Gaby, „und ist mit ihrer Behandlung hoch zufrieden, medizinisch und auch menschlich. Es hat keine Rötungen oder Schmerzen gegeben, und auch die sehr persönlichen Patientengespräche haben ihr geholfen. Das ist ja eine ganz schwierige Situation.“

Kuczer arbeitet in der Privatklinik mit den anderen auf Krebsbehandlung spezialisierten Fachärztinnen, Chirurgen und Internisten, aber auch Onkologinnen, Gynäkologinnen und Urologen eng zusammen. Im Tumor Board, in dem wöchentlich jeder einzelne Fall besprochen wird, kommt auch immer wieder jemand vom Wiener Neustädter MedAustron dazu. Das ist kein Zufall. Kuczer hat immerhin 16 Jahre selbst als Radiologe und Strahlenmediziner am Spital in Wiener Neustadt in unmittelbarer Nähe zu MedAustron gearbeitet und sich erst kürzlich selbstständig gemacht.

Nach seinem Medizinstudium in Wien hatte er die Ausbildung zum Facharzt für Radiologie und Strahlenmedizin an der renommierten Charité absolviert. Insgesamt lebte er sieben Jahre in Berlin, und seine weitere Karriere schien dort schon vorgezeichnet. Doch dann wurde seine Frau schwanger, und die beiden beschlossen, nach Österreich zurückzukehren. Er nahm eine Stelle als Radioonkologe in Wiener Neustadt an, seine Frau, eine Juristin, fand ebenfalls einen Job, die ihrer Qualifikation entsprach. „Wiener Neustadt habe ich nicht zuletzt deshalb gewählt, weil dort gerade das MedAustron- Projekt umgesetzt wurde.“

Die sieben Jahre in der deutschen Fremde sind wenig im Vergleich mit jenen verschlungenen und gefährlichen Wegen, die seine Familie vor Jahrzehnten zurücklegen musste und die auch nicht alle überlebten. Auf einem alten Familienbild ist zu sehen, wie viele im Holocaust ermordet wurden, seine Mutter kam im fernen Usbekistan zur Welt, wohin ihre Eltern geflohen waren. Kuczers Großmutter stammte ursprünglich aus Riga, sein Großvater aus dem polnisch-ukrainischen Grenzgebiet. Er besitzt auch noch ein Foto eines Großonkels in der Uniform eines k.u.k. Oberleutnants.

Von Zentralasien zogen Kuczers Großeltern nach Israel, wo sie am Strand von Tel Aviv in einer primitiven Blechhütte wohnten. 1952 übersiedelten sie dann nach Wien. Nicht zuletzt die dramatische Geschichte seiner Familie motiviert Kuczer, immer wieder pro bono, also gratis, Behandlungen durchzuführen, etwa für ukrainische Flüchtlinge. „Das können nicht viele sein, aber es macht doch ein bisserl etwas aus.“


WIENER ANFÄNGE
Die Strahlentherapie wird auf einen jüdischen Mediziner, Leopold Freund, zurückgeführt.

Leopold Freund, 1868 in der Nähe von Prag geboren, studierte in Wien Medizin, wurde dort 1895 promoviert und spezialisierte sich zunächst auf Hautkrankheiten. 1904 habilitierte er sich als einer der ersten drei Ärzte in Wien für medizinische Radiologie und wurde 1914 an der Universität Wien Titularprofessor für dieses Fach.

Freund gilt als Begründer der medizinischen Radiologie und Röntgentherapie. Wilhelm Conrad Röntgen hatte im Jahr 1895 die Röntgenstrahlen entdeckt, schon ein Jahr später folgte die Entdeckung der Radioaktivität durch Antoine Henri Becquerel. Ebenfalls 1896 versuchte Leopold Freund in Wien die erstmalige therapeutische Anwendung an Patienten – zur Behandlung von Hautkrankheiten. Er schrieb 1897 einen Beitrag in der Wiener Medizinischen Wochenschrift über einen mit Röntgenstrahlen behandelten Patienten mit Naevus pigmentosus piliferus. Damit begründete Freund die Strahlentherapie als neues wissenschaftliches Fachgebiet. 1906 wurde er sogar für den Nobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn aber nicht. Freund veröffentlichte auch grundlegende Arbeiten über Lichtbehandlung von Berufskrankheiten und die Verwendung von Röntgenstrahlen zur Prüfung von Baumaterialien.

Leopold Freund wurde als Jude nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 von den Nazis verhaftet, dann wieder freigelassen, und verlor seine Wohnung. Noch im selben Jahr floh er nach Belgien, wo er 1943 starb.

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