Und jetzt bitte Integrationsarbeit

1997

Das Duell Michael Häupl gegen Heinz-Christian Strache hat am Ende eigentlich gar nicht stattgefunden. Zurücklehnen kann sich das rote Wien dennoch nicht. Von Alexia Weiss

Es war ausgerechnet FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der im Wiener Wahlkampf vor dem „neuen Antisemitismus“ durch Flüchtlinge gewarnt hat. Ja, es gibt auch viele Gemeindemitglieder, die sich vor einem Ansteigen des Antisemitismus von islamischer Seite fürchten. Aber nein, so wie es auch Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister formuliert: Der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund.

„Die Integrationspolitik darf sich nicht nur auf die Menschen beschränken, die neu nach Österreich gekommen sind. Es müssen alle,
die hier leben, miteinbezogen werden.“

Wien ist noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Über der Freude, dass Strache bei dieser Wahl schlussendlich weit davon entfernt war, nach dem Bürgermeistersessel zu greifen, darf man nicht übersehen, dass sich fast ein Drittel der Wienerinnen und Wiener für die Freiheitlichen entschieden hat. „Grad noch a Glück“, hat eine Freundin am Wahl­abend auf Facebook kommentiert.

Ja, grad noch a Glück, dass das rote Wien damit nicht der Vergangenheit angehört. Aber ausruhen darf sich die Wiener – und die bundesweite – Sozialdemokratie nun nicht. Die vielen Flüchtlinge aus Syrien, aber auch aus dem Irak, aus Afghanistan, die derzeit nach Europa kommen: Ihnen zu helfen ist wichtig und richtig. Dass sich vor allem die Roten hier auch in einem Wahlkampf, in dem von Strache die Angst jener, die sich vor zu vielen Flüchtenden sorgen, geschürt und weiter befeuert wurde, nicht in ihrer „Refugees welcome“-Haltung beirren ließen, ist ihnen hoch anzurechnen.

Aber nun folgen die Mühen der Ebene. Und da sind die Ärmel hochzukrempeln. Kräftig. Integrationsarbeit muss wesentlich ernster genommen, hier deutlich mehr investiert werden als bisher. Ja, es gibt viele gute Initiativen. Es braucht aber flächendeckend implementierte Maßnahmen, um jedem Neuankömmling einen guten Neustart zu ermöglichen: Wohnraum, Deutschkurse, Nostrifizierungen von Bildungsabschlüssen, Landeskunde, Wertevermittlung.

Wer Anschluss in einer Gesellschaft findet, wer sich hier tatsächlich eine neue Existenz aufbauen kann, der ist nicht für extremistische Ideen offen. Das ist besonders aus Sicht der jüdischen Gemeinde wichtig. Strache wäre aber kein Garant für eine solche Politik gewesen, im Gegenteil. Die Geflüchteten pauschal als mögliche Islamisten zu diffamieren, erzeugt nur Gegenwehr. Nicht für ihre Integration zu sorgen, drängt sie geradezu in die Arme von Extremisten.

Aber ja, rund 30 Prozent haben sich für die blaue Politik entschieden. Und diese Menschen muss die Stadtpolitik nun verstärkt ansprechen. Die Integrationspolitik darf sich nicht nur auf die Menschen beschränken, die neu nach Österreich gekommen sind. Es müssen alle, die hier leben, mit einbezogen werden.

Passiert das nicht, gelingt kein wirkliches Zusammenleben. Passiert das nicht, erhöhen sich die Ängste und Sorgen der Menschen, deren Leben, etwa durch lange Krankheit, durch Arbeitslosigkeit, nicht optimal verlaufen, die sich benachteiligt fühlen, die meinen, wegen der Flüchtlinge kämen sie nun zu kurz. Es muss gelingen, Menschen nicht mehr so anfällig für rechtspopulistische Heilsversprechen zu machen. Dazu muss man auch ihre gefühlte Lebensqualität verbessern. Die SPÖ hat vor Kurzem wieder begonnen, Gemeindebauten zu errichten. Das war schon ein guter Schritt. Das wichtigste Thema ist aber die Bildung. Nur sie schafft Chancen. ◗

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