Wer verkauft uns Waffen?

Die Tschechoslowakei und Frankreich sicherten mit ihren Lieferungen das Überleben des jungen Staates.

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Robust. Das tschechische Maschinengewehr MG 34 im Einsatz im Krieg 1948.© Government Press Office GPO; Wikipedia;

61 Spitfires für Israel. Das waren 61 gebrauchte, aber bewährte einmotorige englische Jagdflugzeuge, erworben von der tschechos­lowakischen Regierung. Diese hatte sie nach dem Krieg von den Engländern bekommen, weil tschechische Piloten kühn an der Luftschlacht um England mitgekämpft hatten. Jetzt sollten die Flieger helfen, das Überleben des bedrohten jungen israelischen Staates zu sichern.

Schon nach dem UN-Teilungsplan Ende 1947 hatten die ersten lokalen Kämpfe zwischen Arabern und jüdischen Kämpfern der Hagana begonnen. Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948 eröffneten Armeeeinheiten einer arabischen Allianz von allen Seiten einen Eroberungskrieg gegen Israel. Und für den heldenhaften, wohl auch verzweifelten Kampf gegen diese Übermacht war eine zeitgemäße Bewaffnung existenziell.

Von Mitteleuropa in den nahen Osten ist es weit, und von Luftbetankung war damals noch keine Rede. Also wurde die Überstellung der Flugzeuge eine logistische Großaufgabe. Zuerst wurde alles nicht für den Flug Notwendige heraus geräumt, etwa die Bewaffnung und das Funkgerät. Mehrere Zusatztanks wurden angebracht, im Rumpf, aber auch unter den Tragflächen. Und dann war noch ein Zwischenstopp zum Nachtanken notwendig. Dieser fand sich schließlich in Jugoslawien, auf einem ehemaligen Flugfeld der deutschen Luftwaffe in Niksic in Montenegro.

Aus der Tschechoslowakei: Karabinergewehre.© Government Press Office GPO; Wikipedia;

Das Husarenstück gelang – teilweise. Einige Maschinen gingen verloren, unter anderem starb der Organisator der Überstellung, der Chefmechaniker Sam Pomerance, bei einem Absturz in den jugoslawischen Bergen. Zwei mussten auf der griechischen Insel Korfu notlanden. Die Piloten wurden erst für Kommunisten gehalten und interniert, kamen aber später frei. Nur 18 Flugzeuge schafften es nach Israel, solange der Krieg dauerte, und dennoch konnten sie ihren Beitrag bei den Kämpfen leisten. Der Großteil der Maschinen sollte erst später eintreffen und bildete zunächst einmal das Rückgrat der israelischen Luftwaffe.

Für den glücklichen Ausgang des Unabhängigkeitskrieges waren andere Waffenlieferungen entscheidend, und auch diese stammten aus der Tschechoslowakei. Der israelische Historiker Benny Morris, wegen seiner Kritik an der israelischen Kriegsführung gegenüber den Arabern nicht unumstritten, befasste sich ausführlich mit diesen Lieferungen. In seinem Buch 1948. A History of the First Arab-Israeli War beschreibt er diese: „Die erste Tranche, 200 Gewehre, 40 Maschinengewehre und 160.000 Stück Munition, landete heimlich in der Nacht vom 31. März zum 1. April auf einer provisorischen Piste in Beit Daras, transportiert mit einer gecharterten US-Transportmaschine. Eine zweite Lieferung traf am 2. April im Hafen von Tel Aviv ein, an Bord des Frachtschiffes Nora, versteckt unter Zwiebeln und Kartoffeln. Diese Tranche war deutlich größer und umfasste 4.500 Gewehre, 200 MGs und fünf Millionen Patronen.“ Der Schluss, den der Historiker Morris zieht, ist eindeutig: „Die beiden Lieferungen waren entscheidend.“ Und auch der spätere Premierminister David Ben-Gurion sagte damals, die Situation habe sich „schon radikal zu unseren Gunsten verbessert“, als erst ein Teil der tschechischen Waffen eingetroffen war.

Für den glücklichen Ausgang des Unabhängig­keitskrieges waren Waffenlieferungen aus der Tschechoslowakei entscheidend.

Insgesamt summierten sich diese Rüstungsgüter zu beeindruckenden Zahlen. Aus der Tschechoslowakei kamen insgesamt unter anderem 34.000 Karabiner, 6.000 Maschinengewehre, 500 Pistolen sowie mehr als 100 Millionen Stück Munition. Und noch vor der halb erfolgreichen Überstellung der britischen Spitfires hatte Prag den Verkauf von 25 Avia-S-199-Jagdflugzeugen freigegeben, diese waren auch – großteils zerlegt transportiert – rechtzeitig in Israel angekommen.

Die Ironie der Geschichte: Bei den einmotorigen Flugzeugen handelte es sich um tschechische Nachbauten des Standardjägers der deutschen Luftwaffe Messerschmidt Bf 109. Und auch ein Gutteil der Infanteriewaffen aus Brünn oder Pilsen waren von deutschen Ingenieuren entwickelt und in großen Stückzahlen im Zweiten Weltkrieg eingesetzt worden. Dazu gehörten etwa der Karabiner Mauser K 98 und das damals modernste Maschinengewehr MG 34. Beide wurden während des Kriegs und auch danach in tschechischen Fabriken gebaut, unter anderen Bezeichnungen. Auch eigene tschechische Entwicklungen, etwa die Pistole vz. 27, setzte die deutschen Wehrmacht ein.

Sowjetische Hoffnung. Die tschechoslowakischen Rüstungsverkäufe endeten aber nicht bei der Hardware, sie enthielten auch Ausbildungspakete. Da die jüdischen Piloten im Krieg auf Seiten der Alliierten mit deren Flugzeugen geflogen waren, benötigten sie eine Umschulung auf die deutschen Modelle. Das ermöglichte die tschechoslowakische Luftwaffe auf ihren Stützpunkten, unter anderem erfuhr dort der Royal-Air-Force-Pilot und spätere Staatspräsident Ezer Weizmann seine fliegerische Zusatzausbildung.

Warum machte die neue kommunistische Prager Regierung das? Historiker erklären die Rüstungshilfe mit mehreren Argumentationssträngen. Einmal konnte das Land die Devisen gut brauchen, die Israel bei internationalen Spendern, vor allem in den USA, aufgetrieben hatte. Geschenkt wurde nichts, die Waffen hatten ihren Preis. Zweitens war ein Teil der Vorkriegsmodelle nach dem kommunistischen Umsturz und der Eingliederung in das sowjetisch dominierte Militärbündnis systemfremd und konnte leicht abgegeben werden. Und drittens handelte Prag wohl im Auftrag Moskaus. Die Sowjets setzten darauf, dass Israel ähnlich wie die osteuropäischen Länder in Richtung Volksfront und damit in die sowjetische Einflusssphäre bewegt werden könnte. Als die Knesset-Wahl 1949 die KP-orientierte Mapam gegenüber der eher sozialdemokratischen Mapai in einer schwächeren Rolle sah und von Ben-Gurion nicht in die Regierung genommen wurde, war es mit dieser Hilfe schnell vorbei.

Aus der Tschechoslowakei: die Spitfire Avia S-199 für die israelische Airforce. © Government Press Office GPO; Wikipedia;

Weshalb spielte die Tschechoslowakei aus israelischer Sicht diese große Bedeutung? Sowohl die USA wie auch Großbritannien hielten sich an ein UN-Waffen­embargo, das gegen Israel wie gegen die arabischen Länder verhängt worden war, um eine Rüstungsspirale im Nahen Osten zu verhindern. Israelische Gesandte stießen fast überall mit ihren flehentlichen Wünschen nach Bewaffnung auf taube Ohren. Die große Ausnahme war eben die neue KP-Regierung in Prag. Und auch aus Paris bekamen sie etwas, zumindest einen Teil der erhofften Waffen: 10 leichte Hotchkiss-H 39-Panzer, 50 6 mm-Geschütze, einige schwere Minenwerfer und eine Reihe von Halbkettenmannschaftstransportern.

Die eigene Rüstungsproduktion war ebenfalls angelaufen, zuerst im Untergrund, nach der Staatsgründung öffentlich, als Basis der künftigen Israel Military Industries. Es waren vor allem Infanteriewaffen, Munition und Sprengmittel, die in den israelischen Fabriken erzeugt wurden. Die selbst entwickelten Davidka-Mörser galten als ungenau, machten aber einen enormen Lärm und dienten daher der Demoralisierung der Gegner.

Ein weiterer Coup gelang den israelischen Beschaffern noch zu Beginn des Krieges. Sie kauften in den USA drei zu Frachtfliegern umgebaute Bomber B 17 „Flying Fortress“ und flogen sie auf abenteuerlichen Routen von Florida über Puerto Rico, die Azoren und Europa nach Israel. Man baute sie wieder zurück, und sie wurden bei einem Überraschungsangriff auf Kairo eingesetzt.

 

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