Ästhetik, die funktioniert

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Lilia Maier und Ulrike Pohl haben heuer in Wien ein gemeinsames Ingenieurbüro gegründet – für Innenarchitektur: Vienna Interiors. Von Reinhard Engel 

Auch wenn wir in Wien leben und arbeiten, sind viele unserer Kunden sehr international“, erzählt Ulrike Pohl, Co-Geschäftsführerin von Vienna Interiors. „Das sind entweder Unternehmen, die teils weit über Österreichs Grenzen hinaus aktiv sind, oder aber Manager und Spezialisten aus anderen Ländern, die sich entschieden haben, in Wien zu leben.“ Nachsatz: „Und die hier auch schön wohnen wollen.“

Pohl und ihre Partnerin bei Vienna Interiors, Lilia Maier, sind ebenfalls von woanders zugezogen. Beide haben in Deutschland Architektur studiert – und beide mit dem Schwerpunkt Innenarchitektur. „In Deutschland haben wir einander noch nicht gekannt“, erzählt Maier, „wir haben in unterschiedlichen Städten studiert, ich in Darmstadt und meine Kollegin in Rosenheim.“ Ihr gemeinsames Unternehmen gibt es erst seit Anfang des Jahres, aber die Referenzliste ist deutlich umfangreicher, als sich dies hätte in den wenigen Monaten ausgehen können: Sie enthält auch Einzelprojekte, die jede der beiden zuvor alleine betreut hatte.

„Unsere Projekte müssen nicht nur gut aussehen, sie müssen auch praktisch funktionieren.“ Lilia Maier

Design & Technik.  Ulrike Pohl und Lilia Maier sehen sich nicht als reine Dekorateurinnen. Mit ihrem Knowhow gestalten sie Unternehmenszentralen, Büros, Arztpraxen, Ausstelltungsräume und auch Wohnungen.
Design & Technik.
Ulrike Pohl und Lilia Maier sehen sich nicht als reine Dekorateurinnen. Mit ihrem Knowhow gestalten sie Unternehmenszentralen, Büros, Arztpraxen, Ausstelltungsräume und auch Wohnungen.

Und sie können jeweils interessante Lehr- und Wanderjahre vorweisen: Beide sammelten Erfahrungen als Angestellte in Unternehmen, und beide waren jeweils schon selbstständig. „Jetzt ergänzen wir einander sehr gut“, erklärt Maier. „Ich bin mit meiner russischen Abstammung etwas emotionaler, Ulrike ist nüchterner und setzt mehr auf Zahlen. Jedenfalls braucht man immer wieder einen Blick, einen Anstoß von außen.“

Maier hatte in Berlin vor allem im Bereich Laden- und Ausstellungsbau gearbeitet. Unter anderem betreute sie einmal eine große Ausstellung über das Bauhaus in Dessau, eine andere – auf Dauer ausgelegte – hatte die Umgestaltung der stillgelegten Kokerei Zollverein in Essen im Ruhrgebiet zum Kulturzentrum zum Thema. In Wiesbaden führte Maier ihr eigenes Unternehmen, modernisierte mehrere Privathäuser und betreute später ein Hotelprojekt in Wien. Pohl wiederum arbeitete, bevor sie ihr eigenes Designstudio in Niederösterreich betrieb, für Planungsbüros in München, Hamburg und Berlin. Beim österreichischen Baukonzern Strabag leitete sie die Abteilung Innenarchitektur und arbeitete an der Gestaltung etlicher großer Hotels in Mittelosteuropa mit, etwa den Marriotts in Prag und Bukarest oder dem Hilton in Dubrovnik.

Alles aus einer Hand

vi2Heute sind beide seit Jahren in Wien verheiratet, Maier mit einem Hausverwalter und Immobilienentwickler, Pohl ebenfalls mit einem Mann aus der Immobilienbranche. Beide sind als Mütter wieder in den Beruf zurückgekehrt, Pohl mit einem Kind, Maier mit drei. Aber schon in den wenigen Monaten gemeinsamer Arbeit konnten sie eine Reihe von Projekten betreuen. Dazu gehört etwa die Planung und Neuausstattung der Zentrale des Wiener internationalen IT-Unternehmens ACP: Empfangsbereich, Konferenz- und Seminarräume, insgesamt 3.500 Quadratmeter. Dazu gehörten auch mehrere Arztpraxen und einige Wohnungen. Diese dürfen sie wegen des Schutzes der Privatsphäre allerdings nicht herzeigen.

Aktuell arbeiten sie an einem Wiener Innenstadtbüro des in ganz Osteuropa tätigen Personalbereitstellers Trenkwalder. Und sie haben gerade um die Ausstattung eines 600-Zimmer-Studentenheims in Wien mit Möbeln mitgeboten. Maier: „Das sind nicht unbedingt jene Möbel, die jeder hier kennt. Wir besuchen regelmäßig die internationalen Messen, etwa in Mailand und in Paris, und beschaffen dann, was wir für geeignet halten.“ Wenn man sich bei den Möbellieferanten auskenne, könne man auch leichter als Komplettausstatter auftreten, von der Planung über den Umbau und die Beaufsichtigung der einzelnen Gewerke bis zur Einrichtung: „Alles aus einer Hand“ (Maier).

vi3Worauf die beiden Architektinnen großen Wert legen, ist, dass sie dank ihres Studiums keine bloßen Dekorateurinnen sind, sondern sich mit Haustechnik genauso auskennen wie mit statischen Möglichkeiten. „Der Begriff Innenarchitekt ist in Österreich leider nicht geschützt“, klagt Pohl. „Jeder Möbelhändler, Bodenleger oder Raumausstatter darf ihn verwenden.“ Maier setzt nach: „Wir wissen, wie Deckensysteme funktionieren, wie man die Haustechnik koordiniert. Unsere Projekte müssen nicht nur gut aussehen, sie müssen auch praktisch funktionieren.“ Und sie haben, zuerst bei ihren jeweils eigenen Baustellen, jetzt bei den gemeinsamen, erfahren, welche Professionisten verlässlich und sauber arbeiten, die man damit auch künftig problemlos einsetzen kann.

Der Start der gemeinsamen Firma hat gut geklappt, ohne großen Werbeetat. „Man hat uns empfohlen, so sind etwa ACP und Trenkwalder an uns herangetreten“, erzählt Maier. Und die beiden Diplomingenieurinnen setzen darauf, dass auch in Österreich immer mehr Privatleute nach internationalem Vorbild die Hilfe professioneller Innenarchitekten in Anspruch nehmen.

© Reinhard Engel © Vienna Interiors/Carina Jahn Photography

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