Marcel Javor führt Österreichs größtes Stahlhandelsunternehmen mit 800 Mitarbeitern in neun Ländern. Jetzt plant er auch Investitionen in neue Bereiche – auch mit jüdischem Bezug. Von Reinhard Engel
Bevor man Marcel Javors modern-kühles Büro erreicht, muss man einmal zwischen mächtigen LKWs durchschlüpfen, die sich brummend auf dem Hof zum Laden einparken. Hier, im Gewerbe- und Industriegebiet von Guntramsdorf, südlich von Wien, reiht sich ein Unternehmen an das andere, hier werden keine kleinen Brötchen gebacken.
Frankstahl ist nach zweimaliger Betriebsübersiedlung auch hier schon fast wieder an seine Grenzen gestoßen. Und rein von den Zahlen her verwundert das kaum: 800 Mitarbeiter in neun Ländern sorgen dafür, dass Industriefirmen wie Andritz, Stahlbauer wie Unger oder auch der kleine Installateur um die Ecke die jeweils notwendigen Teile für ihre Aufträge bekommen. Rund 300 Millionen Euro setzt das Unternehmen aktuell um, und in Material wirkt das noch eindrucksvoller. Javor, 38: „Wir kaufen jährlich mehr als eine halbe Million Tonnen Stahl ein.“
Früher einmal vertrieben die Erzeuger wie die Voestalpine selbst ihre Träger, Rohre und Bleche. Heute ist dieses Geschäft längst an Spezialisten ausgelagert. Der Frankstahl-Geschäftsführer erklärt: „Wir sind eine Art Supermarkt. Man kauft ja auch sein Ketchup nicht direkt bei der Firma Heinz. Und Heinz kann sich nicht direkt an die Konsumenten wenden.“
Lahme Konjunktur, neue Möglichkeiten
Der Stahlhandel erlebt momentan keine rosigen Zeiten. Die Konjunktur lahmt, es gibt europaweit gewaltige Überkapazitäten – sowohl an Stahl als auch an Händlern. Das drängt die Schwächeren oder Langsameren zur Seite, eröffnet aber gut organisierten und kapitalkräftigeren Unternehmen Möglichkeiten. Frankstahl hat im Vorjahr zwei österreichische Konkurrenten übernommen, die Kärntner Danicek-Gruppe und Bogner Edelstahl in Wien mit einigen Tochtergesellschaften in Osteuropa. „Es waren harte Verhandlungen bis zum Schluss“, erzählt Marcel Javor. „Wir haben um zwei Uhr in der Früh beim Masseverwalter den Vertrag unterschrieben.“
Frankstahl geht auf eine Firma des 19. Jahrhunderts zurück. 1880 gründete Béla Frank in der Wiener Nordwestbahnstraße eine kleine Flanschenfabrik. Wirkliche Dynamik erhielt das Unternehmen aber erst unter Marcels Vater, Erwin Javor. „Es hat eigentlich mit einem Zufall begonnen“, so Marcel. „Mein Vater war 21. Er hat sich nach einer lauteren Party beim Nachbarn entschuldigen wollen. Das war die Witwe Frank, und die wollte ihre Firma verkaufen, weil es keine Nachfolger gab.“
Erwin war zwar branchenfremd, seine Eltern – Flüchtlinge aus Ungarn und Polen – betrieben Textilgeschäfte und Großhandel. Doch sie hatten Ende der 60er-Jahre erkannt, dass sich die Blüte dieser Branche zu Ende neigte, große Importeure und Handelsketten bekamen schnell die Oberhand. Erwin erwies sich als äußerst tüchtig und baute in wenigen Jahrzehnten aus dem Nichts einen österreichischen Spezialkonzern auf, mit Tochterfirmen zwischen Tschechien und Bulgarien. In einigen Ländern wird auch mit Alu König kooperiert.
„So bin auch ich beim Stahl gelandet“, lächelt Marcel, der sich selbst als „young, free and single“ bezeichnet. „Unter anderen Umständen hätte es vielleicht auch Holz werden können, aber dass ich etwas mit Handel zu tun haben werde, war irgendwie klar.“ Zuhause wurde meist über das Geschäft gesprochen. „Und was der Dollarkurs bedeutet, habe ich schon als kleiner Bub gewusst.“
Liebe, Vertrauen und Respekt
Im väterlichen Unternehmen war er schon während der Schulzeit unterwegs, ab 18 war er in wichtigen Sitzungen dabei. Er absolvierte ein Betriebswirtschaftsstudium in Wien und Chicago, schätzt dessen Stellenwert aber nicht allzu hoch ein: „Viel wichtiger ist Praxis, und letztlich bringt eine Woche bei einem guten Mentor mehr als einige Semester Uni.“ Im Unternehmen machte er dann auch nicht auf Junior-Chef, sondern durchlief zahlreiche Stationen: „Ich habe als einfacher Händler angefangen. Man muss das Geschäft zu 100 Prozent kennen, 99 Prozent sind nicht genug.“
Schritt für Schritt führte ihn sein Vater in die Geschäftsführung ein, seit einigen Jahren hat er diese allein. „Wir reden natürlich regelmäßig über die Firma, aber wir tun das jetzt an angenehmeren Orten als im Büro.“ Gefragt, ob ihm sein Vater, der durchaus über Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit verfügt, auch genug Raum gelassen habe, lässt er keinen Zweifel aufkommen: „Er hat mich Fehler machen lassen, auch dumme Fehler.“ Im Übrigen könne man sämtliche betriebswissenschaftliche Literatur über Firmenübergaben vergessen. Marcel: „Wichtig sind allein Liebe, Vertrauen und Respekt. Und der Vater muss es schaffen, sein eigenes Ego zurückzustellen. Das kann mein Vater.“