Lavendelfelder, Ockerbrüche, Calanques – das verbindet man mit Südfrankreich. Aber wer weiß eigentlich, dass diese Region einen ganz besonderen Bezug zum Judentum hat? Mit der Broschüre Histoire et Patrimoine Juif en Provence (Geschichte und jüdisches Erbe in der Provence) will man Touristen auf eine Route locken, an der 13 Städte und Dörfer mit ausgeprägter jüdischer Vergangenheit und teilweise auch Gegenwart liegen – Letzteres allen voran natürlich Marseille, die quirlige alte Hafenmetropole am Mittelmeer mit ihren 44 Synagogen bei etwa 75.000 jüdischen Einwohnern (in Paris gibt es sieben Synagogen bei rund 220.000 jüdische Einwohnern!).
Wir beginnen unsere Reise im Hinterland – dort, wo die provenzalisch-jüdische Geschichte zu einer so eigenen wurde. Carpentras ist ein auf einer sanften Anhöhe gelegenes Städtchen südlich des Mont Ventoux, dieses einsam aus den Voralpen ragenden Kolosses, zu dem man von hier aus gut hinüber sieht. Auf der Ringstraße um die kleine Altstadt tobt der Verkehr, viele Fahrzeuge haben ausländische Kennzeichen, halten aber meist nur vor den Supermärkten an der Peripherie, bevor es weiter geht zu den notorisch als pittoresk bezeichneten Dörfern am Fuß des windigen Bergs.
Eine breite und steile Treppe führt uns vom Ring hinauf zu einem Torbogen und dem dahinter gelegenen Stadtkern, wo es angenehm ruhig ist. Die einst ringsum von einer Mauer geschützten Straßen und Gassen sind kreisförmig zu einem perfekten Labyrinth angeordnet. Wer sich lange genug darin verliert, stößt irgendwann auf die Place Maurice Charretier mit dem pompösen Rathaus und ein paar unprätentiösen Cafés und Restaurants. Wüssten wir es nicht, wir würden an dem hellgrauen, zwischen zwei anderen Gebäude in ein Eck gedrängten Haus höchstwahrscheinlich vorbeigehen, ohne es weiter zu beachten – es ist die älteste Synagoge Frankreichs.