In Czernowitz leben nur noch vier Menschen, deren Muttersprache Jiddisch ist. Einer von ihnen zeigt bis heute ein beeindruckendes Engagement. Von: Silviu Mihai, Fotos: George „Poqe“ Popescu
Czernowitz – Die Einrichtung wirkt bescheiden, fast spartanisch. Ein einfaches Klappbett, ein Schreibtisch, auf dem ein alter Computer thront, ein paar Schränke mit den allernötigsten Materialien und Arzneimitteln. An der Hinterwand ein kleines Waschbecken mit einem merkwürdigen achteckigen Spiegel. In einer anderen Ecke die Patientenkartei aus der vordigitalen Zeit, die an eine öffentliche Bibliothek aus den Sechzigerjahren erinnert und sogar danach duftet. „Das beste Stück der Praxis“, stellt Iosif Bursuc fest, und seine Hand streichelt den hölzernen Rand der Schublade, in der die Karteikarten sorgfältig nach dem kyrillischen Alphabet sortiert sind.
„Jedes Jahr landet ein gutes Dutzend Karteikarten im Archiv, und neue kommen äußerst selten hinzu.“ Der alte Arzt schaut auf seine Uhr. Nein, die Zeit sei hier in Czernowitz, in dieser Praxis des Chabad-Zentrums, nicht stehen geblieben. Man sterbe noch gelegentlich. Die dunklen, regen Augen von Iosif Bursuc lachen. Natürlich habe er Herrn Zwilling und Frau Zimmermann gekannt, sie waren ja auch in seiner Kartei, wie fast alle Juden, die in dieser Stadt noch lebten. Die zwei Helden aus Volker Koepps bekannter Dokumentation sind kurz nach dem Dreh, 1999 und 2002, „ins Archiv gezogen“.