Völlig in Wien angekommen

In der Schule war Rahel Laubsch die einzige Jüdin. Nun hat die Bonnerin ein jüdisches Umfeld gefunden.

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© Anna Goldenberg

In ihren Erzählungen beschreibt sich Rahel Laubsch mehrfach als „völlig überfordert“. Etwa, als sie in Wien auf gleichaltrige Jüdinnen und Juden traf, die sich viel besser in Fragen rund um das Judentum auskannten als die 21-Jährige. Im deutschen Bonn, wo Rahel aufwuchs, ist die jüdische Gemeinde sehr klein. Rahel wurde nicht religiös erzogen, aber interessierte sich für Kultur und Geschichte. Unter den wenigen jüdischen Bekannten, die sie dort hatte, war sie „die Jüdischste,“ erzählt sie. „Hier weiß ich nichts.“ Aber sie lernte schnell.
„Völlig überfordert“ haben Rahel auch die Tänze und Spiele, die ihre neugewonnenen jüdischen Freundinnen und Freunde in Wien längst konnten, weil sie sie in Jugendorganisationen gelernt hatten. Alle hatten zudem „Riesenconnections“ und schienen „tausend Menschen“ zu kennen. Auch hier holte sie auf: „Du wirst gut aufgenommen“, sagt sie.

Längst hat Rahel auch herausgefunden,
was ihr berufliches Ziel ist:
Sie will Journalistin werden.

Bis auf ihre engsten Freundinnen wusste in der Schule in Bonn lange niemand, dass Rahel Jüdin ist. Sie war die Einzige dort, weswegen sie sich oft komisch fühlte. Mehr Offenheit kam erst, als Hiob zur Klassenlektüre wurde. Davor hatte Rahel bereits einmal das Gymnasium gewechselt. In ihrer alten Schule sangen einige Buben im Sportunterricht die verbotene Strophe des „Deutschlandlieds“. „Die anderen haben das wohl nicht realisiert“, erzählt Rahel. Doch sie erkannte es, berichtete ihrem Vater darüber, und als die Direktion wenig kooperierte, kam die Tochter in ein anderes Gymnasium. Die alten Freunde seien etwas sauer gewesen, sagt Rahel. „Aber ich habe meinen Vater verstanden.“
Heute, anderthalb Jahre, nachdem sie nach Wien gezogen ist, wirkt Rahel alles andere als „völlig überfordert“. Längst hat ihr Hochdeutsch etwas wienerische Weichheit. Neu war für sie, dass hier – anders als im Rheinland – auch junge Menschen Dialekt sprechen. Längst hat sie hier einen großen Freundeskreis, den sie hauptsächlich den Jüdischen österreichischen HochschülerInnen verdankt. Vergangenen Sommer traute sie sich zum ersten Mal auf eine Veranstaltung der JöH, mittlerweile ist sie Teil des Vorstandsteams. Gleich hat sie ein Treffen, um den Ball zu organisieren, der am 31. Mai stattfinden wird.
Längst hat Rahel auch herausgefunden, was ihr berufliches Ziel ist: Sie will Journalistin werden. Ursprünglich kam sie fürs Jus-Studium nach Wien, das war nichts, merkte sie schnell. Jetzt beginnt sie, Politikwissenschaften und Geschichte zu studieren; ein Fernstudium in Medienmanagement, das nebenbei lief, beendete sie im November. Ein Jahr lang arbeitete sie zudem als Redakteurin für die Magazine Madonna und Gesund & Fit, beides Beilagen der Tageszeitung Österreich. Langfristig will sie aber über Politik berichten. „Völlig überfordern“ wird sie das bestimmt nicht.

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